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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Überraschungen.«
    Die Überraschung war ein Barpianist. Nicht einer, wie ihn Sonia aus den Bars und Lounges ihres früheren Lebens kannte. Das waren meistens ältere Herren mit müden Augen und nikotingelben Fingern. Dieser hier war höchstens Mitte Dreißig. Er trug einen Fünftagebart, und auch die Stoppeln auf seinem Schädel konnten nicht älter sein. Sein dunkler Anzug und sein Hemd sahen neu aus, und sein Krawattenknoten war viel zu groß und locker gebunden.
    Er spielte »Here we go again«, schleppend und mit samtenem Anschlag. Er suchte keinen Blickkontakt mit den Gästen wie andere Barpianisten. Es war, als spielte er für sich. Als probierte er etwas aus, amüsiert und erstaunt, daß es ihm gelang.
    Die Bar war leer bis auf Vanni, den Barman, und einen Gast, den Sonia noch nie gesehen hatte. Er sah aus wie ein indischer Staatsmann: dichtes, weißes, geöltes und gescheiteltes Haar, schlaffe Gesichtszüge, olivgraue Haut, die Lippen und Augenschatten ein paar Töne dunkler, schwarze Augen, weißmelierte, buschige Brauen über einer randlosen Brille.
    Der Mann saß an der Bar vor seinem Drink. Das Kinn in die linke Hand gestützt, lauschte er der Musik. Als Sonia den Raum betrat, prüfte er sie mit einem Blick, nickte ihr zu und ließ seine Augen wieder den Klavierklängen nachwandern.
    Sonia blieb einen Moment stehen, unschlüssig, ob sie sich an die Bar setzen oder an einem Tischchen auf Barbara Peters warten sollte. Bevor sie sich entscheiden konnte, traf ihre Chefin ein. Sie nahm Sonia beim Ellbogen und stellte sie dem Gast vor. »Herr Doktor, darf ich Ihnen Sonia Frey vorstellen, die Frau mit den magischen Händen, von der ich Ihnen erzählt habe.«
    Der Inder, den Barbara Peters »Herr Doktor« nannte, hieß Ralph Stahel und sprach einen gepflegten Zürcherdialekt mit im Gaumen gegurrten Rs. »Magische Hände«, sagte er, »ist genau, was ich brauche. Haben Sie morgen noch einen Termin frei?«
    »Ich glaube schon, daß ich Sie irgendwo reinquetschen kann«, antwortete sie lächelnd. »Wann paßt es Ihnen denn?«
    »Irgendwann zwischen dem Morgenschwimmen und dem Mittagessen.«
    Sie verabredeten sich auf elf Uhr am nächsten Tag. Barbara Peters führte Sonia zu einem kleinen Tischchen. »Was trinken Sie?«
    Sonia überlegte. »Zu dieser Musik? Martini.«
    »Mögen Sie sie nicht?«
    »Oh, doch. Ich mag auch Martinis.«
    »Ich nicht. Das ist kein Cocktail, das ist ein Schnaps. Ich nehme ein Glas Champagner.«
    »Auch nicht gerade ein Cocktail.«
    »Aber er macht glücklich.«
    »Ich dachte, Sie sind von Natur aus glücklich.«
    Als hätte er das Gespräch mit angehört, stimmte der Pianist »Sometimes I’m Happy Sometimes I’m Blue« an. Barbara Peters lachte und bestellte die Getränke.
    »Herr Casutt hat mir erzählt, Sie hätten ihm eine letzte Chance gegeben. Ich habe ihm gesagt, das müsse er falsch verstanden haben.«
    »Und ich fürchtete schon, ich hätte mich nicht deutlich genug ausgedrückt.«
    »Ach.«
    Barbara Peters musterte sie amüsiert. »Schauen Sie mich nicht an, als wäre ich ein Unmensch. Auf einen Nachtportier muß man sich verlassen können.«
    »Ich finde, das kann man.«
    »Er hat ein Alkoholproblem.«
    »Das scheint er aber im Griff zu haben.«
    Barbara Peters war nicht überzeugt. »Hoffentlich. Und damit das so bleibt, braucht er vielleicht ein wenig Druck.«
    »Alkohol und Druck, die beiden Unzertrennlichen.«
    »Was denken Sie?« fragte Frau Peters.
    »Jemand, der von einem Glas Champagner glücklich wird, versteht nichts von Alkoholikern.«
    »Sagen Sie immer, was Sie denken?«
    »Nein. Das ist neu.«
er hat es nicht gehalten
wer was
kurt das maul
siehst du
hanspeter weiß es jetzt auch
was sagt er
mit meinem besten freund du sau
und was ist mit kurt
bleibt sein bester freund
warum er
weil er es ihm gestanden hat
    Sie sah den Schluß einer Dokumentation über die Weißstörche in Alfaro. Das Tief Max hatte sich über der Adria eingerichtet und beeinflußte das Wetter des Alpenraums. Man vermutete im Tierquälerfall einen Nachahmungstäter.
    Nie das Gefühl, sie falle aus dem Zimmer, keine seltsamen Veränderungen an der Täfelung der Dachschräge. Sie sah keine Töne, hörte keine Gerüche, schmeckte keine Formen. Sie legte sich ins Bett und schlief tief und traumlos, bis das Handy seine blödsinnige Weckmelodie spielte.
    Nach der Morgentoilette öffnete sie Pavarotti die Käfigtür zu seiner zehnminütigen Bedenkzeit, ob er ihr Freiflugangebot annehmen wolle.
    Auch er

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