Der Teufelsfürst
Vorstellung, Utz entgegenzutreten, unangenehm war, schälte auch sie sich schließlich aus den Decken und ließ sich von ihrer Zofe ein Bad bereiten. Sie hatte sich gerade angekleidet und ihr Haar geflochten, als Vlad zu ihr zurückkehrte und all die Mühe wieder zunichtemachte.
Die nächsten beiden Wochen vergingen im Taumel der Liebe. Dann aber kam der Zeitpunkt, an dem sie Utz nicht mehr ausweichen konnten. Jeden Tag versuchte dieser, eine Audienz bei Vlad zu erhalten, um die Freilassung seiner Schwester zu erwirken; und jeden Tag wurde er abgewiesen und auf später vertröstet. Als die Last auf ihrem Gewissen schließlich zu groß wurde, bat Zehra ihren Geliebten, Utz in ihre Kammer rufen zu lassen. »Es ist besser, wenn ich allein mit ihm rede«, sagte sie. »Sonst denkt er vielleicht, du würdest mich dazu zwingen.« Während sie mit hämmerndem Herzen auf ihren Bruder wartete, starrte sie aus dem Fenster in den Hof hinab und versuchte, sich die richtigen Worte zurechtzulegen. Das an diesem Tag ungewöhnlich hektische Treiben der osmanischen Soldaten bot eine willkommene Ablenkung, da sie beim besten Willen nicht wusste, wie sie Utz ihre Lage begreiflich machen sollte. Trotz der Unruhe, die in ihr brodelte, bemerkte sie das aufgeregte Gestikulieren der Reiter, welche gerade erst in den Hof eingeritten waren. Und als kurz darauf Vlad mit langen Schritten auf die Männer zuhastete, regte sich Unbehagen in ihr. Bevor sie sich jedoch fragen konnte, was wohl geschehen sein mochte, ließ sie ein Klopfen an der Tür herumwirbeln. Kaum hatte sie dem Fenster den Rücken gewandt, wurde ihr Bruder von einem Bediensteten hereingeführt. Er eilte auf sie zu, um sie in die Arme zu schließen. Als sie ihn behutsam zurückwies, trat eine Falte zwischen seine Brauen und er kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Was ist hier los?«, fragte er voller Argwohn. »Warum werde ich immer wieder hingehalten?« Zehra wollte gerade den Mund zu einer Antwort öffnen, als der durchdringende Klang einer Alarmglocke sie unterbrach. Das Getöse war so gewaltig, dass sie zwar sah, wie Utz’ Lippen sich bewegten, das Gesagte jedoch in dem Geläut unterging. Erschrocken eilte Zehra ans Fenster.
Die Aufregung im Hof hatte sich innerhalb der kurzen Zeit, die verstrichen war, in einen offenen Tumult verwandelt.
Stallburschen führten im Laufschritt gesattelte Pferde ins Freie, und die Osmanen hatten allesamt ihre Krummschwerter gezogen. Mägde und Knechte liefen aufgeregt durcheinander, und noch ehe die Alarmglocke verklungen war, kam Vlad in den Raum gestürmt. Als sein Blick auf Utz fiel, stutzte er kurz. Doch dann fegte er Zehras Mantel von einer Sessellehne und legte ihn ihr um die Schultern. »Wir müssen fort!«, stieß er atemlos hervor. »Wladislaw kommt zurück!« »Was?«, fragte Zehra erschüttert, aber Vlad ergriff ihre Hand und zog sie auf den Ausgang zu. »Keine Zeit für Fragen. Jede Minute zählt. Die Späher behaupten, er ist keine zwanzig Meilen mehr entfernt!« »Meine Schwester kommt mit mir!«, mischte Utz sich ein. Zehra verspürte einen Stich im Herz. »Nein, Utz«, gestand sie schwach. »Das war es, was ich dir sagen wollte.« Er erbleichte und öffnete den Mund zu einer Antwort, aber Vlad fuhr dazwischen. »Wenn wir nicht augenblicklich von hier verschwinden, wird Eure Schwester den morgigen Tag nicht erleben!«, knurrte er. »Es sind Tausende! Offenbar hat dieser Feigling Wladislaw seine Verbündeten im Stich gelassen, als klar wurde, dass der Sultan die Schlacht gewinnt!« Mit diesen Worten zog er Zehra mit sich fort. Utz blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen. Wenig später saßen sie im Sattel und jagten gen Norden davon. »Es gibt ein Kloster in den Bergen, in dem wir uns verbergen können«, sagte Vlad, als sie es endlich wagten, das Tempo ein wenig zu drosseln. Außerhalb der Stadt lag bereits eine geschlossene Schneedecke. Auch wenn diese noch dünn war, bekräftigte sie dennoch das Nahen des Winters. In der Ferne erhoben sich die schroffen, schneebedeckten Gipfel der Karpaten. Nach einigen Stunden schlugen sie einen schmalen Pfad ein, der bergan führte. Als sie ein Kiefernwäldchen erreichten, befahl Vlad eine Rast. Zehra wärmte sich dankbar die Hände an dem kleinen Feuer, das sie entzündeten. »Es sind nur noch ein paar Meilen«, brummte Vlad und nahm Zehras Hände zwischen die seinen, um sie zu wärmen. »Die Mönche sind alte Verbündete meiner Familie.
Sie werden auf dich achtgeben, wenn
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