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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Vlad hatte Zehra soeben in den Sattel eines lammfrommen Zelters geholfen, als erzürnte Rufe vor dem Palasttor sie aufhorchen ließen. Ärgerlich über die Störung wollte Vlad gerade einen der osmanischen Soldaten herbeiwinken, als Zehra unvermittelt ausrief: »Das ist Utz’ Stimme! Das ist mein Bruder!« Mit erstaunlicher Geschicklichkeit sprang sie zurück auf den Boden und rannte wie ein Wirbelwind auf das Tor zu, wo sie allerdings von den Wachen aufgehalten wurde. »Lasst mich zu ihm!«, rief sie verzweifelt. Vlad erschrak über die Woge des Unwillens, die in ihm aufstieg. Warum ausgerechnet jetzt, fragte er sich, ballte die Hände zu Fäusten und eilte ihr hinterher. Seine Männer hielten sie nur mit Mühe davon ab, sich zwischen sie und den jungen Mann zu werfen, der lauthals Einlass verlangte. »Utz!« Ihre Stimme überschlug sich. Sie kämpfte wie eine Furie gegen die Soldaten an. Als sein Blick auf den Burschen vor dem Tor fiel, zuckte Vlads Hand zu seinem Schwert. Wenn er ihm hier an Ort und Stelle den Kopf abschlug, war das Problem aus der Welt. Er ließ die Waffe los und murmelte eine Verwünschung. Ihn zu töten, war unmöglich. Denn dann würde er niemals die Liebe der Frau gewinnen, für die er durch alle Feuer der Hölle gehen würde. »Lasst ihn ein!«, knurrte er deshalb und biss die Zähne aufeinander, da Zehra dem jungen Mann um den Hals fiel. Als habe die Welt um sie herum aufgehört zu existieren, umschlangen die beiden einander, weinten und lachten gleichzeitig und schmiegten die Wangen aneinander wie Liebende. War der Kerl wirklich ihr Bruder? Vlads Hand umklammerte den Schwertknauf erneut so heftig, dass er fürchtete, er könne zerbröckeln. Irgendwann lösten sich die beiden voneinander, und Zehra führte den jungen Mann auf Vlad zu. »Das ist mein Bruder, Utz«, sagte sie mit feuchten Augen und glühenden Wangen. In diesem Moment begehrte Vlad sie mit solcher Gewalt, dass es ihm körperliche Pein bereitete. »Er will Euch ein Angebot machen.«

Kapitel 70
Tirgoviste in der Walachei, Fürstenpalast, Ende Oktober 1448
    »Verdammt!«, fluchte Vlad und schleuderte den Weinkelch in das Feuer in seinem Schlafgemach. Was sollte er nur tun? Nein, was hatte er getan, dass Fortuna sich wieder von ihm abwendete und ihm ihren hässlichen Rücken zeigte? Die Flammen zischten und spuckten. Wenig später stank der Raum nach heißem Alkohol. Warum konnte er nicht das tun, was zu tun war? Warum konnte er diesen Utz nicht einfach töten, den Wölfen zum Fraß vorwerfen und sich dann einfach nehmen, wofür er den Zigeuner bezahlt hatte? Warum brachte er nicht zustande, was ihm in Albanien so leicht gefallen war? Er vergrub das Gesicht in den Händen und versuchte, den Gestank des Weines zu ignorieren. Warum ging er nicht einfach in ihre Kammer, riss ihr die Kleider vom Leib und schändete sie?
    Vielleicht würde sie ihn dann nicht mehr so wissend ansehen!
    Vielleicht würde dann das Gefühl verschwinden, dass er in ihrer Gegenwart sein altes Selbst wiederfinden konnte! Er presste die Fingerkuppen an die Nasenwurzel, um den Schmerz hinter seinen Augen zu vertreiben. Warum hatte sie nur diese unglaubliche Macht über sein Herz? Wenn er sich vorstellte, sie wieder zu verlieren, hoben sämtliche Dämonen der Vergangenheit ihre Häupter und drohten, auch den letzten Rest Menschlichkeit in ihm auszulöschen. Wenn er sie verlor, würde er wieder zu der Kreatur werden, vor der er sich in Albanien beinahe selbst gefürchtet hatte. Er gab einen ächzenden Laut von sich, als ihm klar wurde, dass es nur einen einzigen Weg gab. Er musste ihr freistellen, ihren Bruder zu begleiten! Auch wenn die Vorstellung, nie wieder in ihre wundervollen Augen zu blicken, mehr war, als er verkraften konnte. Er erhob sich mit bleiernen Gliedern und griff nach der kleinen Glocke auf dem Tisch. Der helle Ton war kaum verklungen, als ein Diener den Raum betrat und sich tief verneigte. »Richte dem Ulmer aus, ich nehme sein Angebot an«, sagte er heiser. Er räusperte sich. »Und lass seine Schwester wissen, dass sie aufbrechen kann, wann immer sie will.« Obwohl sich die Augen des Mannes erstaunt weiteten, hütete er seine Zunge, verneigte sich erneut und verschwand in den Gang hinaus. Eine lange Zeit stand Vlad einfach nur regungslos da. Dann trat er an die Wand und lehnte die Stirn gegen den kühlen Stein. Wenn er sie nicht mehr sah, würde es ihm sicher leichter fallen, sie ziehen zu lassen. Allerdings vermisste er ihren Anblick schon

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