Der Teufelsfürst
ich fort bin.« Zehra riss erschrocken die Augen auf. »Fort?«, hauchte sie. »Warum musst du fort?« Er öffnete seinen Umhang, zog sie an seine Brust und wickelte den Stoff um sie. »Es wird nicht lange dauern«, versuchte er, sie zu beruhigen. »Sobald der Sultan erfährt, dass Wladislaw zurück ist, wird er mir ein größeres Heer mitgeben, damit ich diesen Betrüger vertreiben kann.« Er küsste ihr Haar. »Und dann wirst du meine Frau.« Zehra klammerte sich an ihn und schluchzte. »Dein Bruder kann bei dir bleiben«, schlug Vlad vor. »Dann hast du Gesellschaft.«
Auch wenn ihr die Neuigkeiten viel Kraft geraubt hatten, gelang es Zehra, sich nach der Rast wieder auf dem Rücken ihres Pferdes zu halten und die nächsten Stunden hinter Vlad herzutraben. Die Sonne war bereits untergegangen, als sie – tief versteckt in einer Schlucht – ein kleines Kloster erreichten, dessen Fenster hell erleuchtet waren. Ohne Fragen zu stellen, ließen die Mönche Vlad und seine Begleiter ein und verköstigten sie mit einem einfachen Mahl aus Getreidebrei, Eiern und saurem Wein. Dann geleiteten sie die Besucher zu ihren Unterkünften, die nur wenig wohnlicher waren als ihre einfachen Zellen. Erschöpft von dem anstrengenden Ritt, schmiegte Zehra sich an Vlad und hoffte, dass am nächsten Morgen alles vergessen sein würde. Doch das war es nicht. Sobald die Glocke der Abtei zur Laudes rief, warf Vlad die Decke ab, entzündete eine Kerze und kleidete sich an. Dann beugte er sich zu Zehra hinab, nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie ein letztes Mal, bevor er seine Waffen gürtete. »Es wird nicht lange dauern«, versprach er. »Noch bevor der Frühling kommt, bin ich wieder bei dir.« Damit verschwand er durch die Tür, hinaus in die Dunkelheit des eisigen Morgens.
Epilog
Am Ufer der Donau, in der Nähe von Belgrad, Dezember 1448
Die Wut in Utz’ Bauch sorgte immer noch dafür, dass er weder den schneidenden Wind noch die spitzen Eiskristalle spürte, die ihm ins Gesicht peitschten. Seit vielen Tagen folgten er und sein stämmiges Kaltblut nun schon dem Ufer der Donau, die allmählich zuzufrieren begann. Nur noch wenige Schiffer trotzten der feindlichen Witterung, und außer Utz war lediglich eine Handvoll mutiger oder verzweifelter Reisender unterwegs. Nachdem ihm irgendwann klar geworden war, dass er seine Schwester nicht umstimmen konnte, hatte er die hitzigen Debatten aufgegeben und beschlossen, ohne sie nach Ulm zurückzukehren. Auch wenn ihm diese Entscheidung schwerer gefallen war, als ihm lieb war. Er zog die Kapuze tiefer ins Gesicht und duckte sich über den Hals seines Falben, um sich wenigstens notdürftig vor der Kälte zu schützen. Da er ein voll beladenes Packpferd mit sich führte, war er auf seinem Weg aus der Walachei nicht aufgehalten worden – schließlich waren Händler auch in Kriegszeiten etwas Alltägliches. »Ich liebe ihn«, hallte Zehras Stimme in seinem Kopf nach. »Und ich werde hier auf ihn warten, bis er zurückkommt.« Nun, dachte Utz, hoffentlich tut er das auch!
Denn noch einmal würde er nicht bis ans Ende der Welt reisen, um seine Schwester nach Hause zu holen! Wenn sie diesen Weg gehen wollte, dann würde sie ihn fortan ohne ihn gehen müssen! Er nahm eine Hand vom Zügel, um sie unter den fellgefütterten Umhang zu stecken und aufzuwärmen.
Während er Meile um Meile weiter nach Westen trottete, fragte er sich, was ihn in Ulm wohl erwarten würde. Waren seine Söhne noch am Leben? Oder hatte sie das Schicksal so vieler Säuglinge ereilt und sie lagen bereits zwei Klafter tief unter der Erde? Und wie würde Sophia ihn empfangen?
Würde sie seine Liebe eines Tages erwidern? Und was würde geschehen, wenn sie ihn weiterhin mied? Er zog die eine Hand wieder unter dem Umhang hervor und steckte die andere darunter. Was er tun sollte, falls Sophias Empfang kühl ausfiel, wusste er noch nicht. Aber es würde ihm gewiss etwas einfallen. Er konnte auf Handelsreisen gehen wie sein Vater. Oder er konnte sich als vollwertiges Mitglied in die Gesellschaft mit Sankt Wilhelm einbringen, so wie Ulrich von Helfenstein es vorgeschlagen hatte. Sobald Utz seine Schulden bei dem Grafen bezahlt und dieser sich auf seine neue Burg in Leipheim zurückgezogen hatte, war er in den Hintergrund getreten. Allerdings boten sich durch diese Verbindung vielleicht irgendwann Möglichkeiten, die Utz bisher nicht in Betracht gezogen hatte. Er blinzelte in den immer heftiger werdenden Schneesturm und
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