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Der Teufelskeiler

Der Teufelskeiler

Titel: Der Teufelskeiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Tisch und starrten auf die Schachtel.
    »Wo ist Leonard?«, fragte Mama.
    »Das erzähle ich dir gleich«, antwortete Doc Travis. »Jetzt schau erst mal her.«
    Er griff in seine Manteltasche und holte ein Bündel Geldscheine hervor, das er vor Mama auf den Tisch warf. »Zweihundert Dollar Preisgeld.«
    »Zweihundert!«, sagte Mama. »So viel Geld habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen.«
    »Er hat sogar noch mehr gewonnen. Insgesamt ungefähr dreihundert, aber einen Teil hat er für das ausgegeben, was in der Schachtel ist, und dann hat er noch behalten, was er so zum Leben braucht.«
    »Zum Leben?«
    »Hmhm. Er hat den Jahrmarktsringer nicht nur besiegt, sondern gleich so vernichtend geschlagen, dass sie den Burschen rausgeworfen und Leonard übernommen haben.«
    »Er fährt mit dem Jahrmarkt mit?«, fragte Mama.
    »Ein paar Ortschaften weit, wenn er nicht verliert«, sagte Doc Travis.
    »Er verliert nicht. Niemals«, sagte Ike.
    »Das glaub ich auch nicht«, stimmte Doc Travis zu. Er wandte sich wieder Mama zu. »Du wirst sehen, er kann glatt tausend Dollar verdienen. Wenn nicht mehr.«
    »Eintausend Dollar!«, rief ich.
    Doc Travis nickte. »Genau.«
    »Dann würde es auch keine Rolle mehr spielen, wie unsere Ernte ausfällt«, sagte Mama. »Und wenn sie gut ausfällt...«
    »Dann wären wir reich«, ergänzte ich.
    Mama lächelte mich an. »Reich nicht gerade, aber wir müssten nicht mehr jeden Penny zweimal umdrehen.« Dann fragte sie Doc Travis: »Und verletzt hat er sich nicht, hast du gesagt?«
    »Natürlich nicht. Einen Verletzten würden sie nicht für sich ringen lassen. Sie würden ja ihr ganzes Geld verlieren. Du hättest ihn sehen sollen, wie er den Jahrmarktsburschen aufs Kreuz gelegt hat, und der Halunke war doppelt so groß wie Leonard. Aber Leonard hat dem alten Knaben einen Fuß weggezogen, ihn auf den Bauch gedreht und auf die Matte genagelt wie einen fetten Käfer.«
    »Ha ha!«, brach es plötzlich aus Ike heraus, und er schmetterte die Hand auf den Tisch. Wir starrten ihn alle an. So war er nicht mehr aus sich herausgegangen, seit er mit acht aus Versehen seine Latzhose angezündet hatte, als er im Klohäuschen mit Zündhölzern spielte. Er blickte uns reihum an, als wäre es ihm peinlich. »Ich kann nichts dafür«, sagte er.
    Wir mussten alle lachen.
    »Wann kommt er wieder nach Hause?«, fragte Mama.
    »Das ist noch nicht ganz klar«, antwortete Doc Travis.
    »Vielleicht in einem Monat, oder etwas später. Ich kann mir schon vorstellen, dass das für euch nicht einfach wird, mit der ganzen Arbeit auf dem Feld und so. Leonard hat die Chance, viel Geld zu verdienen, aber auch wenn es nicht klappt, hat er sich bis jetzt recht wacker geschlagen.«
    »Wir brauchen ein paar Sachen für das Baby«, sagte Mama. Sie nahm die zweihundert Dollar, stand auf und legte sie in die Keksdose. Es war schon Monate her, seit zum letzten Mal Kekse oder Geld drin gewesen waren.
    »Was ist in der Schachtel?«, wollte Ike wissen, als sich Mama wieder gesetzt hatte.
    »Ich bin so frei.« Doc Travis lächelte. Er zog die Schachtel zu sich her, öffnete sie, holte ein weiches, blaues Bündel heraus und faltete es auseinander. Es war ein langes, schönes Kleid. Mamas Kiefer klappte nach unten.
    »Hat er ... hat er das für mich gekauft?«
    »Nein«, sagte Doc Travis. »Er hat gedacht, es könnte Ike ganz gut gefallen. Natürlich ist es für dich, du Dummchen. Blau ist doch deine Lieblingsfarbe, oder?« Er reichte ihr das Kleid.
    Sie lächelte und hielt sich das Kleid an den Körper. »Blau und grün«, sagte sie.
    »Gut, er hat nämlich auch noch ein grünes gekauft.« Mit diesen Worten fuhr Doc Travis' Hand in die Schachtel und zauberte ein grünes Kleid hervor.
    »Ich kann es gar nicht glauben«, sagte Mama. Im Sonnenlicht, das durchs Fenster fiel, schimmerten ihre Augen einen Augenblick lang ganz feucht.
    »Aber: Wenn du diese Kleider anziehst«, fuhr Doc Travis fort, »brauchst du natürlich auch Schuhe, die dazu passen, und die hat er gleich mitgeschickt.« Er griff erneut in die Schachtel und holte ein Paar schwarze, glänzende Halbschuhe hervor, genau die, deren Abbildung Mama so oft im Sears-and-Roebuck-Katalog angeschmachtet hatte.
    Sie nahm sie und hielt sie vor sich hin, bevor sie sie schließlich sachte auf den Tisch stellte. »Er hätte nicht so viel Geld ausgeben sollen«, sagte sie.
    »Doch, das war genau richtig«, sagte Doc Travis. »Und jetzt kommt ihr beiden Pimpfe an die Reihe.«
    Für Ike

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