Der Teufelskeiler
lagen ein leuchtend rotschwarzes Flanellhemd und eine brandneue, dunkelblaue Latzhose in der Schachtel. Es waren seine ersten neu gekauften Kleidungsstücke. Bis dahin hatte er nur abgetragene Sachen bekommen und Dinge, die Mama ihm aus jedem Stoff, den sie in die Finger bekam, bis hin zu Mehlsäcken, genäht hatte.
»Ist das alles meins?«, fragte Ike.
»Außer du willst, dass Richard ein Hosenbein anzieht. Als Glücksbringer oder sonst was«, entgegnete Doc Travis.
Ike nahm Hemd und Hose und drückte sie an sich wie einen warmen Welpen. »Ich kann sie doch mal anziehen, oder?«, fragte er Mama. »Nur um zu sehen, ob sie passen, danach ziehe ich sie gleich wieder aus.«
»Sicher«, sagte Mama. »Aber schauen wir doch erst mal, was sonst noch in der Schachtel ist.«
»Jetzt bist du an der Reihe, Richard«, sagte Doc Travis. »Komm mal her und hol es dir selbst raus.«
Ich ging zu ihm hin und schaute in die Schachtel. Drinnen lag eine kleine, flache Schachtel. Ich hob sie heraus. Darunter lag noch ein größeres, in Stoff eingewickeltes Bündel.
»Das gehört ebenfalls dir«, sagte Doc Travis, »aber mach erst mal das auf.«
In der Schachtel war ein ganzer Stapel Magazine. Dime Detective, Black Mask, Weird Tales und Doc Savage. Schlagartig fühlte ich mich wie im siebten Himmel. Unter den Magazinen lag noch ein Stapel sauberer, weißer Blätter. Wahrscheinlich Füllmaterial.
»Und jetzt das andere«, sagte Doc Travis.
Ich griff hinein und packte das Bündel. Es war schwer. Ich stellte es auf den Tisch und wickelte vorsichtig das Tuch auf. Als ich sah, was es war, fiel mir die Kinnlade herunter. Plötzlich wusste ich auch, wofür die Blätter unter den Magazinen gedacht waren.
Für meine neue Schreibmaschine.
ACHT
Nachdem Doc Travis wieder weggefahren war, erledigte ich ein paar anstehende Arbeiten. Dann ging ich ins Haus, um meine Schreibmaschine anzuschauen.
Ike hatte das Hemd und die Latzhose anprobiert, jetzt waren sie zusammengelegt und weggeräumt. Mama hatte ihre Kleider und die Schuhe angezogen, und die waren jetzt ebenfalls weggeräumt. Nun war ich an der Reihe, meine Schreibmaschine auszuprobieren, und dabei wollte ich für mich sein. Ich weiß nicht warum, aber ich spürte, das musste ich allein tun. Nicht einmal Mama durfte mir dabei zusehen.
Ich trug sie in das hintere Zimmer, wo Ike und ich schliefen, und stellte sie auf die Kommode. Dann zog ich einen Stuhl heran und polsterte ihn mit Kissen auf. Ich spannte ein Blatt Papier in die Schreibmaschine und drückte auf eine Taste.
Der Buchstabe I hüpfte auf das Blatt.
Lange saß ich einfach nur da und starrte ihn an. Dann drückte ich aufs Geratewohl eine Taste nach der anderen. Schließlich hörte ich auf, einfach drauflos zu tippen, sondern gab Acht, was ich tat, und begann, Worte zu schreiben.
Für mich war es wie Zauberei. Jeden Gedanken, der mir in den Sinn kam, konnte ich aufs Papier bringen, und von dort würde er mir entgegenstarren.
Eine Zeit lang fühlte ich mich wie Gott. Menschen und Orte waren meinen beiden fleißig tippenden Fingern ausgeliefert.
Es war das schönste Gefühl, das ich je hatte.
NEUN
Zwölf Blatt Papier schrieb ich von oben bis unten mit Wörtern voll, die für niemanden außer für mich irgendeine Bedeutung hatten, dann schob ich die Schreibmaschine unters Bett und legte die beschriebenen Seiten in die Schublade zwischen die sauberen Laken. Ike und Mama respektierten, was mir gehörte, deshalb würden sie nicht darin herumkramen, und ich fühlte mich wohler, wenn meine Sachen nicht offen herumlagen, wo jemand meine geheimsten Gedanken lesen und mich vielleicht deswegen aufziehen konnte.
Ich ging nach draußen, fütterte die Hühner mit Maisbrotkrümeln und hackte Anmachholz für den Ofen. Danach fragte ich Mama, ob ich zu Abraham gehen könne. Sie hatte nichts dagegen.
Abraham Wilson war mein bester Freund. Er war ein Farbiger und wohnte auf der anderen Seite des Sabine River, sogar noch tiefer im Wald als wir. Sein Vater, Buck Wilson, war ein erstklassiger Feldarbeiter und verdiente fünfzig Cent am Tag, genauso viel wie die Weißen. Für Farbige war das eine richtig gute Bezahlung, weil sie normalerweise schon von Glück reden konnten, wenn sie halb so viel bekamen.
Papa war immer der Auffassung gewesen, dass das eine schlechte Sache sei, und er hat mir immer und immer wieder gesagt, wie ein Mensch denkt und arbeitet, sollte nichts mit seiner Hautfarbe zu tun haben. Es komme nur auf den
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