Der Thron der roten Königin
denke, wir können uns darauf einigen, dass unsere Feinde die erste Runde gewonnen haben.»
«Aber es wird doch weitere Schlachten geben? Können wir uns nicht neu formieren? Als es Johanna misslang, Paris einzunehmen, hat sie nicht aufgegeben …»
«Ach, Johanna», sagt er müde. «Ja, wenn wir uns Johanna zum Vorbild nehmen, dann sollten wir bis zum Tod gehen, denn dann winkt uns ein glückliches Martyrium. Du hast recht. Es wird noch mehr Schlachten geben. Dessen kannst du dir sicher sein. Jetzt umkreisen sich zwei Mächte wie kampflustige Hähne, jeder auf seinen Vorteil bedacht. Du kannst davon ausgehen, dass es zum Kampf kommt, danach zu einem weiteren und zu noch einem, bis einer von ihnen unterliegt oder stirbt.»
Ich bin taub für seinen verletzenden Ton. «Mein Gatte, wirst du jetzt deinem König dienen? Nun, wo die erste Schlacht geschlagen wurde und wir verloren haben. Wo du sehen kannst, wie sehr du gebraucht wirst. Und jeder Ehrenmann gehen muss.»
Er sieht mich an. «Ich werde gehen, wenn ich muss», sagt er grimmig. «Aber keine Minute vorher.»
«Jeder wahre Engländer wird dort sein, nur du nicht!», protestiere ich hitzig.
«Dann wird es dort so viele wahre Engländer geben, dass sie keine Verwendung haben für einen Feigling wie mich», sagt Sir Henry und verlässt das Krankenzimmer, in dem Jaspers Freiwilliger stirbt, bevor ich etwas erwidern kann.
***
Danach breitet sich Kälte zwischen Henry und mir aus, und deswegen sage ich ihm nichts davon, als ich ein zerknittertes Stück Papier von Jasper bekomme, auf dem er mir mit seiner spitzen, ungelenken Handschrift mitteilt:
Hab keine Angst. Der König selbst geht aufs Schlachtfeld. Wir marschieren los.
– J.
Ich warte, bis wir nach dem Abendessen allein sind. Mein Gemahl spielt geräuschlos auf einer Laute. «Hast du Nachrichten von deinem Vater? Ist er beim König?», frage ich ihn.
«Sie jagen die Yorkisten zurück in ihre Burg bei Ludlow», antwortet er und spielt halbherzig eine kleine Melodie. «Mein Vater berichtet, dass mehr als zwanzigtausend Mann für den König angetreten sind. Wie es scheint, denken die meisten Männer, dass er gewinnt, dass York gefangen genommen und getötet wird, auch wenn der König mit seinem weichen Herzen gesagt hat, wenn sie sich ergeben, werde er ihnen allen vergeben.»
«Gibt es eine weitere Schlacht?»
«Nur, wenn York sich entschließt, dem König persönlich entgegenzutreten. Doch ist es schon eine Sünde, deine Freunde und Verwandten zu töten, so ist es noch etwas ganz anderes, deinen Bogenschützen zu befehlen, auf das Banner des Königs zu zielen und auf den König selbst. Was, wenn der König in der Schlacht fällt? Was, wenn York sein Breitschwert auf des Königs geheiligtes Haupt niedergehen lässt?»
Bei dem Gedanken, dass der König, nahezu ein Heiliger, durch die Hand seines Untertanen, der ihm Loyalität geschworen hat, den Märtyrertod stirbt, schließe ich meine Augen voller Entsetzen. «Das kann der Duke of York nicht tun! Gewiss kann er so etwas doch nicht einmal in Erwägung ziehen?»
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Oktober 1459
W ie sich herausstellt, konnte er das tatsächlich nicht.
Als die Yorkisten ihrem rechtmäßigen König auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden, konnten sie sich nicht überwinden, ihn anzugreifen. Während die yorkistischen Truppen sich hinter ihren Geschützen und Pferdegespannen zusammenzogen und vom Hügel auf die Brücke bei Ludford und das Banner des Königs blickten, verbrachte ich den Tag auf den Knien. Während sie sich in Stellung brachten, rang ich mit meinen Gebeten. In der Nacht verließ sie ihr sündiger Mut, und sie liefen davon. Sie rannten fort wie die Feiglinge, die sie waren, und am nächsten Morgen ging der König – ein Heiliger, aber Gott sei Dank kein Märtyrer – durch die Reihen der einfachen yorkistischen Soldaten, die von ihren Anführern im Stich gelassen worden waren, vergab ihnen und schickte sie freundlich nach Hause. Mit den Schlüsseln zur Burg in der Hand und flankiert von ihren beiden kleinen zitternden Söhnen, George und Richard, musste Yorks Frau, Herzogin Cecily, unter dem Kreuz der Stadt Ludlow warten, während der Pöbel des Königs zum Plündern in die Stadt strömte. Sie musste vor dem König kapitulieren und ihre Söhne in Gefangenschaft geben, ohne zu wissen, wohin ihr Gemahl und die beiden älteren Söhne geflohen waren. Sie muss sich geschämt haben bis ins Mark. Die große Rebellion des Hauses York und
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