Der Thron der roten Königin
aufspritzendem Schneematsch und klammerte sich ohne jeden Stolz an das sterbende Pferd.
Als das Donnern der ersten Kavalleriewelle vorüber war, hob er vorsichtig den Kopf. Die yorkistischen Ritter umzingelten die Lancastrianer wie Jäger das Damwild. Und die Gejagten versuchten, zur Brücke über den Cock Beck zu fliehen, den kleinen Fluss am Ende der Wiese, den einzigen Ausweg. Die Fußsoldaten der Yorkisten feuerten die Reiter an und rannten neben ihnen her, um den fliehenden Feinden den Weg abzuschneiden, bevor sie die Brücke erreichten. Wenige Augenblicke später wimmelte es auf der Brücke von verzweifelt kämpfenden Männern – Lancastrianern, die nur hinüberwollten und fort von yorkistischen Soldaten, die sie festhielten oder rücklings erstachen, als sie über ihre gefallenen Kameraden stolperten. Die Brücke ächzte unter dem Hin und Her der Soldaten, und die vordrängenden Pferde zwangen Männer über das Geländer in den eiskalten Fluss und zertrampelten andere unter ihren Hufen. Dutzende, die mit ansahen, wie die Ritter mit den großen zweischneidigen Schwertern heranpreschten, die sie wie Sensen über den Köpfen ihrer Pferde schwangen, die Zeugen wurden, wie sich Schlachtrösser aufbäumten und eisenbeschlagene Hufe auf die Köpfe von Männern niedergingen, sprangen in den Fluss, wo der Kampf noch in vollem Gang war: Manche ruderten vergeblich gegen das Gewicht ihrer Rüstung an, andere wurden von ihren Gegnern mit dem Kopf unter das eiskalte, blutrote Wasser gedrückt.
Stafford richtete sich entsetzt auf. «Kommt zurück! Formiert euch neu!», schrie er, auch wenn er wusste, dass ihm keiner gehorchen würde. Und über dem Schlachtgeschrei hörte er, wie das Holz der Brücke ächzend zersplitterte.
«Räumt die Brücke! Räumt die Brücke!» Stafford kämpfte sich drängelnd und schiebend zum Ufer, um den Männern Befehle zuzuschreien, die noch immer aufeinander einstachen, obwohl sie gemerkt hatten, wie die Brücke unter der wogenden Last schwankte. Die Männer riefen sich Warnungen zu, aber sie kämpften weiter, denn sie hofften, durchzukommen und sich davonmachen zu können. Und dann brach das Brückengeländer nach außen weg, der hölzerne Unterbau barst, die ganze Konstruktion sackte in sich zusammen, und Staffords Männer, feindliche Soldaten, Pferde und Leichen stürzten alle zusammen in die eisigen Fluten.
Der Schnee rieselte auf Stafford herab, die Männer gingen im schnellfließenden Wasser unter und kamen um Hilfe schreiend an die Oberfläche, wo sie dann vom Gewicht ihrer Rüstungen wieder hinuntergezogen wurden. Einen Augenblick lang war ihm, als sei alles ganz still geworden und er der einzige lebende Mann auf Erden. Er sah sich um und konnte keinen anderen stehenden Mann ausmachen. Einige hielten sich am geborstenen Geländer fest und hackten immer noch auf die Finger derer ein, die sich ebenfalls anzuklammern suchten. Andere ertranken vor seinen Augen oder wurden von den blutgetränkten Fluten hinweggerissen. Reglos lagen die Männer auf dem Schlachtfeld, und der Schnee deckte sie leise zu.
Stafford fror in der kalten Luft. Als er spürte, wie der saubere Schnee auf sein verschwitztes Gesicht fiel, streckte er die Zunge heraus wie ein Kind und ließ eine Flocke in seiner warmen Mundhöhle schmelzen. Ein anderer Mann kam aus dem Weiß auf ihn zu, langsam wie ein Gespenst. Erschöpft wandte Stafford sich um, zog sein Schwert aus der Scheide und stellte sich auf einen weiteren Kampf ein. Er bezweifelte, dass er die Kraft haben würde, sein schweres Schwert zu halten, doch er wusste, dass er in sich den Mut schöpfen musste, einen weiteren Landsmann zu töten.
«Frieden», sagte der Mann tonlos. «Es ist vorbei.»
«Wer hat gewonnen?», fragte Stafford. Im Fluss wirbelten die Leichen umeinander. Um sie herum auf dem Feld kamen Männer schwerfällig wieder auf die Beine oder krochen zu ihren Linien. Doch die meisten rührten sich nicht.
«Wen kümmert’s?», erwiderte der Mann. «Ich habe meine ganze Truppe verloren.»
«Bist du verwundet?», fragte Stafford, als sein Gegenüber wankte.
Der Mann nahm die Hand aus der Achselhöhle. Augenblicklich schoss Blut heraus und spritzte auf den Boden. Ein Schwertstreich hatte ihn durchs Achselgelenk seiner Rüstung getroffen. «Ich glaube, ich sterbe», sagte er ruhig, und da erst sah Stafford, dass sein Gesicht so weiß war wie der Schnee auf seinen Schultern.
«Hier», sagte er. «Komm. Mein Pferd ist nah. Wir können uns nach Towton
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