Der Thron der roten Königin
durchschlagen, wir binden dich fest.»
«Ich glaube nicht, dass ich das schaffe.»
«Komm», drängte Stafford ihn. «Lass uns zusehen, dass wir lebendig hier rauskommen.» Auf einmal schien es ihm ungeheuer wichtig, dass ein Mann, dieser eine Mann, das Blutbad mit ihm überlebte.
Der Mann stützte sich auf ihn, und die beiden humpelten erschöpft den Hügel hinauf zur lancastrianischen Front. Der Fremde zögerte, fasste sich an die Wunde und verschluckte sich fast vor Lachen.
«Was ist los? Komm doch. Du kannst es schaffen. Was ist los?»
«Wir gehen den Hügel hoch? Dein Pferd steht auf dem Kamm?»
«Ja, natürlich.»
«Du bist für Lancaster?»
Stafford schwankte unter seinem Gewicht. «Du nicht?»
«York. Du bist mein Feind.»
Nachdem sie sich wie Brüder umarmt hatten, sahen sie einander kurz in die Augen und lachten zögernd.
«Woher soll ich es wissen?», fragte der andere. «Großer Gott, mein eigener Bruder ist auf der anderen Seite. Ich dachte, du bist für York, aber woher soll man so etwas wissen?»
Stafford schüttelte den Kopf. «Gott allein weiß, was ich bin oder was geschieht oder was aus mir wird», fügte er hilflos hinzu. «Und Gott allein weiß, dass eine Schlacht wie diese kein Weg ist, das zu lösen.»
«Hast du schon vorher in diesem Krieg gekämpft?»
«Nein, und wenn ich es irgend vermeiden kann, werde ich es auch nie wieder tun.»
«Dann musst du vor König Edward treten und dich ergeben», bemerkte der Fremde.
«König Edward», wiederholte Stafford. «Ich höre jetzt zum ersten Mal, wie jemand den Jungen König nennt.»
«Er ist der neue König», versicherte ihm der Mann. «Und ich werde ihn darum bitten, dir zu vergeben und dich nach Hause zu entlassen. Er wird Gnade walten lassen. Auch wenn ich es, wenn es andersrum wäre und du mich zu deiner Königin und zu deinem Prinzen brächtest, nicht überleben würde. Sie tötet unbewaffnete Gefangene – wir nicht. Und ihr Sohn ist eine Schreckensgestalt.»
«Jetzt komm», wiederholte Stafford, und die beiden reihten sich unter die lancastrianischen Soldaten, die darauf warteten, den neuen König um Vergebung zu bitten und ihm zu versprechen, nie wieder die Waffen gegen ihn zu erheben. Vor ihnen standen lancastrianische Familien, die Stafford sein Leben lang kannte, darunter Lord Rivers und sein Sohn Anthony, mit gesenkten Häuptern, schweigend ob der Schande der Niederlage. Stafford säuberte sein Schwert, während er wartete und sich darauf einstellte, es darzubringen. Noch immer schneite es, und die Wunde in seinem Bein begann zu pochen, als er langsam zum Kamm emporstieg, wo zwischen den toten lancastrianischen Standartenträgern noch die leere Stange der königlichen Standarte aufragte und der hochgewachsene Sohn Yorks ihm entgegensah.
***
Mein Gemahl kehrt nicht als Held aus dem Krieg zurück. Er kommt leise und bringt mir keine Heldengeschichten mit, keine Rittergeschichten. Zwei, drei Mal frage ich ihn, wie es war, weil ich denke, es könnte wie in den Schlachten von Johanna von Orléans gewesen sein: ein Krieg im Namen Gottes für den von Gott gesegneten König. Ich hege die Hoffnung, er könnte ein Zeichen von Gott gesehen haben – wie die drei Sonnen über dem Sieg von York –, etwas, das uns zeigen würde, dass Gott mit uns ist, trotz der Niederlage. Aber er sagt nichts, er erzählt mir nichts. Er benimmt sich, als sei Krieg ganz und gar nichts Glorreiches, als werde darin nicht Gottes Wille in einer Feuerprobe ausgetragen.
Was er mir kurz angebunden mitteilt, ist, dass der König und die Königin heil mit dem Prinzen davongekommen sind, zusammen mit dem Oberhaupt meines Hauses, Henry Beaufort. Sie werden nach Schottland geflohen sein und dort ihre angeschlagene Armee wieder aufbauen. Edward of York muss das Glück der Heckenrose haben, seines Emblems, denn er hat trauernd im Nebel bei Mortimer’s Cross gekämpft und hügelan im Schnee bei Towton, und er hat beide Schlachten gewonnen und ist nun durch den Willen des Volkes König von England.
***
Wir verbringen den Sommer in Stille, fast als würden wir uns verstecken. Meinem Gemahl mag verziehen worden sein, dass er gegen den neuen König von England ausgeritten ist, doch dass wir eine der großen lancastrianischen Familien sind und ich die Mutter eines Jungen bin, der Anspruch auf den verlorenen Thron hat, wird man wohl kaum vergessen. Als Henry aus London zurückkehrt, wo er Nachrichten einholen wollte, bringt er mir eine wunderschöne
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