Der Thron der Welt
einnehmen und schulden, und zwar in einer Tabelle, die jeden Tag auf den neuesten Stand gebracht wird. Richard, schaffst du das, was meinst du?» Richard wurde rot vor Freude. «Ich werde mein Bestes tun.» Bisher hatte Vallon nicht erkennen lassen, dass er Richard irgendetwas zutraute.
«Ausgezeichnet», sagte Vallon. Er erhob sich. «Eins noch. Die Englischsprecher sind in der Mehrheit. Wir werden monatelang kein Französisch mehr hören. Wenn wir mit den Nordmännern Handel treiben wollen, sollten wir besser ihre Sprache lernen. Wayland hat sich einverstanden erklärt, uns zu unterrichten.»
«Wayland?»
«Sonst kann es hier keiner. Außerdem wird es ihn von dem Mädchen ablenken.»
Hero und Richard wechselten einen Blick. Seit dem Morgen, an dem Wayland und Raul an Land gegangen waren, um Leute zu suchen, war das Thema Syth in schweigendem Einverständnis gemieden worden.
«Habt Ihr Euch damit abgefunden, dass sie dabei ist?», fragte Hero.
«Ich kann ihr keine mangelnde Einsatzbereitschaft vorwerfen. Sie kocht gut, hält Ordnung und sorgt für ein bisschen gute Stimmung.» Vallon zuckte mit den Schultern. «Wir werden sehen.»
Heros Blick musste zu Brant hinübergewandert sein.
Vallon fing den Blick auf. «Ich habe vor, ihn auszuzahlen, sobald wir in Schottland sind. Er wird Syth nicht belästigen, solange sie von dem Hund beschützt wird. Sogar ich mache lieber einen Bogen um diese Bestie.»
Zwei Tage später war Brant tot und erfüllte damit Aikens Prophezeiung sogar vor der Zeit.
Er hatte Glück gehabt, dass er nicht schon am Tag zuvor nördlich des Tyne getötet worden war. Die Sonne war hinterm Horizont versunken und hatte die Küstenlinie als purpurroten Umriss hervortreten lassen. Hero und die anderen Schüler saßen im Halbkreis um Wayland auf dem Vorderdeck und lernten Nordisch. Syth war im Laderaum und kochte das Abendessen. Ein bedrohliches Knurren von unten zerstörte die friedliche Stimmung. Wayland sprang auf und rannte ins Heck, die anderen eilten ihm nach. Dort stand Brant mit dem Rücken zur Wand in einer Ecke und schwenkte in dem lächerlichen Versuch, den Hund zu vertreiben, einen Schöpfeimer vor sich hin und her. Wayland musste dem Tier einen Befehl gegeben haben, denn es drehte ab und sprang mit langen Sätzen auf das vordere Halbdeck. Erst da sah Hero Syth, die bei der Kohlenpfanne kauerte.
Vallon hielt Wayland am Arm fest, als er in den Laderaum hinunterspringen wollte. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr und hielt ihn so fest gepackt, dass beide Männer schwankten. Was er auch gesagt haben mochte, es genügte, um Wayland übers Deck weggehen zu lassen, wobei er mörderische Blicke über die Schulter zurückwarf.
Vallon tat so, als sei er erstaunt, den Rest der Mannschaft beim Zuschauen zu erwischen. «Habt ihr nichts Besseres zu tun?»
Als Vallon in den Laderaum stieg, frohlockte Snorri. «Ich hab ja gesagt, dass dieses Weibsbild für Ärger sorgt.»
Wenig später kehrte Vallon zum Unterricht zurück. Er benahm sich, als sei nicht das Geringste vorgefallen.
«Wo waren wir stehengeblieben?»
Am nächsten Tag drohte sie ein regnerischer Ostwind an die Küste zu treiben. Nur durch unausgesetztes Rudern gelang es ihnen, Abstand zum Ufer zu halten. Auf der Seeseite brandete das Wasser mit weißer aufschäumender Gischt an Inselchen und Riffe. Eine gewaltige Ruine dominierte die Küste im Westen.
«Das ist Bamburgh», sagte Richard. «Einst war es die Festung der northumbrischen Könige. Mein Vater hat mir gesagt, dass die Normannen sie wieder aufbauen wollen.»
«Hat jemand gesehen, ob die Festung bemannt ist?», fragte Vallon.
Heros Augen waren zu stark vom Salzwasser verklebt, um klar sehen zu können.
«Da ist ein Gerüst auf einem der Wälle», sagte Wayland.
«Also, falls dort irgendwer ist, haben sie uns gesehen. Weiterrudern.»
Auch mit sechs Mann an den Riemen mussten sie schwer ums Vorwärtskommen kämpfen. Sie hatten die Festung kurz nach der Mittagszeit zum ersten Mal gesehen, und sie war am späten Nachmittag immer noch hinter ihnen in Sicht.
Plötzlich rief Raul: «Schiff auf Steuerbord!»
Ein Fischerboot mit vier Mann Besatzung tauchte aus dem Nieselregen auf und kreuzte achtern den Kurs der
Shearwater
beinahe in Rufweite. Vallon und ein paar andere hoben die Hand. Die Mannschaft des anderen Schiffs starrte in ihre Richtung, und keiner der Männer rührte auch nur einen Finger zum Gruß.
«Das gefällt mir nicht», sagte Raul.
Der Wind blähte die
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