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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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so hart wie Hanftaue geworden waren. Dann tastete er mit steifen Fingern an den Knoten seiner Sicherungsleine herum, ohne sie aufzubekommen. Er stand auf, fiel wieder um, schob sich dann zitternd an der Reling hoch und sah über die weißbekrönten Brecher hin. Raul stand immer noch am Ruder und versuchte, die
Shearwater
, so gut es ging, auf der Dünung aufrecht zu halten. Ständig sah er über die Schulter, um die anrollende See einschätzen zu können. Hero wollte sich gerade weiter nach vorn schieben, als Raul erneut hinter sich blickte und nach Luft schnappte.
    Hero drehte sich um. Was er sah, war so unerwartet, dass er anfänglich dachte, die Erschöpfung hätte seine Wahrnehmungsfähigkeit getrübt. Der Horizont stand drohend wie eine grünschwarze Wand über ihm, nur dass sich diese Wand bewegte, und Hero blieb beinahe das Herz stehen, als ihm klar wurde, dass lautlos eine ungeheuerliche Welle auf sie zurollte. Dann setzte auf einmal der Wind aus, und es wurde totenstill. Die
Shearwater
befand sich vom Sturm abgetrennt im Windschatten der Welle. Hero warf sich aufs Deck, klammerte sich an die Ruderbank, und die Welle brach. Sie traf am Heck auf die
Shearwater
und schob das Schiff höher und höher, bis Hero, der in namenlosem Entsetzen auf das schrägstehende Deck hinabstarrte, sicher war, dass die Shearwater der Länge nach umschlagen würde. Für einen Augenblick, der ihm wie eine Ewigkeit erschien, hing das Schiff schwerelos dort oben, dann brandete der Wellenkamm vorbei, und Hero wurde auf den Rücken geschleudert, als die
Shearwater
in das Wellental hinabstürzte. Raul schrie irgendetwas, und Hero schlang seine Arme noch fester um die Ruderbank, weil ihm klar war, dass gleich der nächste Brecher auf das Schiff laufen würde. Die Woge raste hoch aufspritzend übers Heck, schickte brodelnde Gischt über die Decksplanken, riss ihn von der Ruderbank und schwemmte ihn über die Reling. Die Sicherungsleine spannte sich mit einem Ruck, und er bekam Wasser in die Lunge.
    Er war unter die Wasseroberfläche gezogen worden, wurde durch ein grünliches Chaos voller Luftblasen geschleudert, ohne sagen zu können, wo oben und wo unten war. Dann kam er an die Oberfläche und sah einen Moment lang Wayland und Garrick, die sich über die Reling beugten, um seine Sicherungsleine zu greifen. Sogleich erfasste ihn die nächste Welle und saugte ihn weit in die Tiefe. Das Meer brüllte in seinen Ohren, dann spürte er, wie an der Leine gezerrt wurde, und kam mit rudernden Armen nach oben. Wayland zog ihn zum Schiff, und Garrick hievte ihn an Deck, wo er japsend und hustend liegenblieb.
    Besorgt sah Wayland ihn an. «Bist du verletzt?»
    Hero konnte nicht sprechen. Seine Lungen fühlten sich an, als wären sie mit Sand ausgescheuert worden.
    Wayland fasste ihn unter den Armen und zog ihn in eine sitzende Position. Die Heckruderbank war leer. Er sah das zerfaserte Ende einer Sicherungsleine übers Deck hängen.
    «Richard!»
    «Er lebt», sagte Wayland. «Die Welle hat ihn in den Laderaum geschleudert. Es geht allen gut, aber wir sind ziemlich vollgelaufen. Wir müssen den Laderaum ausschöpfen, bevor uns noch so eine Welle trifft.»
    Hero nickte, während er vom nächsten Hustenanfall geschüttelt wurde. Wayland zog ihn auf die Füße. Unten im Laderaum sah er Richard bis zu den Hüften im Wasser stehen. Garrick half ihm, die Salzfässer abzuhalten, die sich aus ihrer Vertäuung gelöst hatten und gefährlich im Laderaum auf dem Wasser tanzten. Die
Shearwater
hatte mindestens einen Fuß Auftrieb verloren und lag so schwerfällig im Wasser wie ein Holzklotz . Vallon warf Hero einen Eimer zu.
    «Du stellst dich mit Richard an Deck auf.»
    Hero starrte in den überfluteten Laderaum hinunter. Das Ausschöpfen mit Eimern schien in diesem Fall in etwa so, als wollte man einen See auslöffeln.
    «Wir werden nicht sinken», rief Raul. «Das Holz hält uns über Wasser, selbst wenn wir bis zum Dollbord volllaufen. Und jetzt schöpft, bevor uns die nächste Welle überrollt!»
    Wayland hatte sich schon in die Arbeit gestürzt, tauchte den Eimer ein und schwang ihn zu Syth weiter. Garrick und Vallon machten sich ebenfalls an die Arbeit. Oben auf dem Deck nahm Hero einen Eimer nach dem anderen entgegen und kippte ihn über die Reling aus. Der Wind zog ab, und die Wolken lichteten sich.
    Sie schufteten den gesamten Vormittag, doch anschließend stand das Wasser nur ein paar Zoll niedriger als zu Beginn. Irgendwann war Hero so erschöpft,

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