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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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Bereich des Hausherrn in Besitz, und die Männer schliefen in den Nischen im Erdgeschoss. Syth hatte die Schlafplattform auf der Galerie, von wo aus sie kleine Steine auf Raul niederprasseln ließ, wenn sein Geschnarche unerträglich wurde.
    Zwei Tage später ritten Wayland, Raul und ein Führer namens Ingolf ins Landesinnere, um nach Falkenhorsten zu suchen. Sie folgten den engen Schlaufen eines Flusses über eine grasbewachsene Talaue. Wayland hatte es aufgegeben zu zählen, wie oft sie den Fluss überquert hatten, bevor sie am Ende des Tales angekommen waren und durch einen Wald aus Zwergbirken ritten, die kaum bis zu ihren Steigbügeln reichten. Nach dem nächsten Hügelkamm kamen sie durch eine karge Moorlandschaft und zogen die Köpfe vor den Graupelschauern ein, die in Böen auf sie zugeweht wurden. Dann legte sich der Wind, und staubfeiner Schnee fiel aus einem klaren Himmel. An diesem Abend betrachteten sie die Sonne dabei, wie sie rauchend hinter der Wasserscheide versank, die sie in der Morgendämmerung überquert hatten. Vier Jahreszeiten an einem Tag. Am nächsten Morgen suchten sie sich ihren Weg zu Fuß um einen Sumpf herum, führten die Pferde am Zügel und sprangen von einem grüngelben Mooskissen zum anderen. Auf der anderen Seite ritten sie eine Schlucht hinauf, die von Säulen in Menschenform bewacht wurde. Ingolf erzählte, es seien Riesen, die zu Stein geworden waren, weil sie sich beim Wechsel von einem unterirdischen Schlupfwinkel zum anderen von der Sonne hatten erwischen lassen.
    Sie ritten über eine weite, flache Bergkuppe mit vielen Wassertümpeln, über denen balzende Odinshühnchen in Kreisen umeinanderflogen wie vom Wind aufgewirbelte Blätter. Abends schlugen sie ihr Lager an Seen auf, lagen in den langgezogenen Dämmerungen wach und lauschten auf die Rufe der Eistaucher, die so trostlos klangen, dass sich Waylands Nackenhaare aufstellten. Sie überwanden vereiste Ströme aus schwarzer Schlacke, ihre Pferde scheuten vor Spalten zurück, in denen geschmolzener Fels wie ein schlagendes Herz pulsierte oder zuckte wie ein Fötus, der in einem unterirdischen Mutterleib ausgebrütet wird. Sie sahen die Eruptionssäulen von Geysiren, und Blasen stiegen aus Schlammkesseln auf wie aus kochendem Brei.
    Wann immer es möglich war, schliefen sie auf Bauernhöfen. Über Schalen mit
Skyr
hinweg fragten sie nach Gerfalken, und die Männer führten sie hinaus, beschirmten mit der einen Hand ihre Augen, deuteten mit der anderen auf weit entfernte, schneebedeckte Felshöhen, und erklärten, dort seien die Horste der Falken. Schließlich waren sie über die bewohnten Gebiete hinaus und wanderten unter der Kuppel einer Eiskappe über Moränen und Geröllfelder. Ein Dutzend Mal suchte sich Wayland an diesem Tag einen windstillen Platz und spähte zu den Felsklippen hinauf, bis seine Augen schmerzten.
    Zwölf Tage später ritten sie so mitgenommen und erschöpft nach Ottarshall zurück, dass man ihnen von den Pferden herunterhelfen musste. Rauls Gesicht war mit Blasen übersät, seine Augenlider rot wie offene Wunden. Als Syth Wayland eine Schale Suppe in die Hand gab, hielt er sie wie ein Invalide mit beiden Händen auf dem Schoß und starrte einfach weiter geradeaus.
    «Wir haben nur drei Falken entdeckt», sagte er schließlich. «Alle drei waren allein. Wir haben ungefähr ein halbes Dutzend Nester gefunden, aber alle waren leer. Ich habe mehrere Stellen entdeckt, an denen die Falken ihre Beute rupfen, aber es gab keinen Hinweis darauf, dass in letzter Zeit Beute geschlagen wurde.» Er kratzte sich über der Augenbraue. «Die Falken ernähren sich hier hauptsächlich von Schneehühnern, und davon gibt es in diesem Jahr sehr wenige. Die Bauern haben uns erklärt, dass die Falken nur brüten, wenn es viele Schneehühner gibt.»
    «Du hast aber nur eine kleine Region erkundet», sagte Vallon. «Du wirst die Falken woanders finden.»
    Wayland begann, die Suppe in sich hineinzulöffeln. «Ingolf meint, bei den Fjorden im Nordwesten gibt es reichlich Falken. Man braucht eine Woche bis dorthin.»
    «Du hast genügend Zeit. Wir müssen erst Anfang August absegeln.»
    Wayland wedelte mit seinem Löffel herum. «Es gibt noch eine andere Enttäuschung. Alle Falken, die ich gesehen habe, waren grau.»
    «Vielleicht gibt es ja gar keine weißen Falken.»
    «Doch. Aber nicht auf Island.»
    «Was jetzt kommt, wird Euch bestimmt gefallen», sagte Raul. Der Deutsche hatte sich mit ausgestreckten Beinen und

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