Der Thron der Welt
sagte Orm. «Ich weiß, wo man sie findet.»
«Weiße?»
«So blass wie der Wintermond.» Orm hob seine unglaublich zotteligen Augenbrauen in Syths Richtung. «Kannst du noch ein bisschen Butter erübrigen, schönes Kind?»
Raul sah ihn misstrauisch an. «Was für eine Abmachung hast du im Sinn?»
Orm stopfte sich den nächsten Weizenfladen in den Mund. «Eine, mit der beide Seiten gut fahren. Ihr braucht eine Mannschaft und einen Führer. Ich brauche ein Schiff.»
«Wie viele Männer hast du?»
«Vier Freunde, meinen Sohn und ich. Wir werden Alkvögel fangen, Wale und Walrösser jagen und Fallen für die Füchse aufstellen. Die Fahrt dauert ungefähr sechs Wochen.»
«Es kommt mir so vor, als hättest du die größeren Vorteile bei diesem Handel.»
Orm hob sein Messer. «Die Falken sind schwer zu finden und noch schwerer zu fangen. Hinter wie vielen seid ihr her?»
Die Auslöseforderung schrieb vier Falken vor, aber Wayland hatte von Beginn an geplant, mehr mitzunehmen, falls nicht alle die Reise nach Süden überleben sollten. «Acht sollten genügen.»
«Da habt ihr eine Menge Schnäbel zu stopfen. Aber keine Sorge. Ich sorge dafür, dass es ihnen nie an Futter fehlt. Verträgst du es, dich in großer Höhe zu bewegen?»
Wayland zögerte. «Ich bin einmal im Sturm auf eine hundert Fuß hohe Buche gestiegen, um einen Falken zu befreien, der sich in seinen Geschühriemchen verfangen hatte.»
«Es sind aber keine Bäume, auf die man steigen muss. Die Falken nisten in den Felswänden oben in den Wolken. Ich habe Vogelnester auf den Klippen ausgenommen, seit ich laufen kann. Glum auch. Dabei fällt mir ein – wie ich höre, habt ihr Eisen.»
Rauls Augen verengten sich. «Und wenn?»
«Ihr braucht Eisäxte. Ich kann sie bis morgen Abend schmieden lassen, und wir könnten mit der ersten Flut am Morgen auslaufen. Was sagt ihr dazu?»
Wayland sah zu Raul hinüber. Dann ließ er seinen Blick zu Glum wandern, der auf den Boden starrte. «Er ist noch ziemlich jung, oder?»
«Ein Junge kann sich halten, wo ein Mann abstürzen würde. Glum bewegt sich so geschickt wie eine Bergziege.»
«Was ist mit seinem Kopf passiert?»
«Er wurde von einem Stein getroffen, als er Alkvögel-Eier gesammelt hat. Da war er erst sieben. Aber macht euch keine Sorgen, er ist immer noch vollkommen bei Verstand. Er war nur schon immer ziemlich auf den Mund gefallen.»
«Syth kommt mit», sagte Wayland.
Nach einem winzigen Zögern sagte Orm: «Bestens. Ich habe seit dem Tod meiner Mutter keine so guten Weizenfladen mehr gegessen.»
«Nimm den letzten.»
«Sicher?»
Wayland stand auf. «Du sorgst für die gesamte Ausrüstung.»
«Gemacht.»
Wayland streckte die Hand aus. «Also sind wir uns einig.»
Orm besiegelte die Abmachung mit einem Händedruck, der einem anderen die Finger zerquetscht hätte. Zurück auf dem Anlegesteg blieb er noch einmal stehen. «Habt ihr Bier?»
«Wir haben noch ein bisschen Gerstenbier und Malzbier», sagte Raul.
«Dann haben wir alles, was wir brauchen. Ein Jäger braucht Bier, um auf seine Erfolge anzustoßen und sich über seine Misserfolge hinwegzutrösten.»
Damit ging er pfeifend davon. Raul und Wayland sahen sich zweifelnd an.
Am nächsten Tag beluden Orm und seine Freunde die
Shearwater
mit dem Zubehör für die Jagd. Sie hatten lange Taue aus Rosshaar, Sturmleitern, unterschiedliche Fallen und Netze, Harpunen, Angelschnüre und Haken, Fässer mit Salz und vergorener Molke und Zelte. Sie verstauten ein Ruderboot im Laderaum und vertäuten an Deck neben dem Beiboot der
Shearwater
eine Walfangschaluppe. Weil sie im Norden kein Holz finden würden, brachten sie Brennziegel aus Stroh und getrocknetem Kuhdung an Bord. Die Grönländer waren in Ferienstimmung, sangen und scherzten bei der Arbeit.
Etwa ein Dutzend ihrer Angehörigen kam zum Schiff, um ihnen eine erfolgreiche Fahrt zu wünschen und sie absegeln zu sehen. Die
Shearwater
wandte sich bei dichtem Nebel nordwärts, zog vorbei an Eisbergen, die in schweigender Erhabenheit aus dem Meer ragten. Drei Tage später entließ sie der Nebel in eine Zone andauernden Tageslichts und eine so klare Luft, dass die Besatzung ihr nächstes Ziel manchmal einen Tag früher sah, als sie es erreichte. Eisberge so groß wie Kathedralen drifteten in Teichen aus türkisfarbenem Schmelzwasser an ihnen vorbei, das kalte, blaue Licht tausendjähriger Winter in ihrem Kern eingeschlossen. Sie passierten einen der kalbenden Gletscher, die diese Giganten
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