Der Thron der Welt
gefährlicher Ort. Das Leben ein tückisches Spiel. Deine Falken wissen das.»
Wayland lachte spöttisch auf. «Wenn Ihr mit den Tieren im Wald gelebt hättet, dann wüsstet Ihr, dass sie nur aus Notwendigkeit töten. Einzig der Mensch betreibt das Töten als Sport.»
«Ich betreibe es nicht als Sport.»
«Wozu sonst? Habt Ihr geglaubt, dass die Herrscher, deren Armeen Ihr angeführt habt, Krieg führten, damit die Welt besser würde?»
Vallon atmete so tief ein, dass seine Lunge gegen die Rippen drückte. Noch vor zwei Jahren hätte er jeden Bauern zu Tode gepeitscht, der es gewagt hätte, ihm solch eine Frage zu stellen, und am nächsten Morgen hätte er den Zwischenfall schon wieder vergessen gehabt.
Wayland beobachtete ihn. «Ihr antwortet nicht.»
Vallon lag die Antwort auf der Zunge, aber er konnte sie nicht aussprechen. Er hatte sich zu diese Reise entschlossen, um für eine Todsünde zu büßen, und er hatte geschworen, niemanden umzubringen, es sei denn, er musste sich oder seine Leute verteidigen. Und nun, sechs Monate später, zählte er schon nicht mehr, wie viele von seiner Hand gestorben waren. Und es würden noch mehr werden.
Er lächelte. «Ich kämpfe, weil ich nichts anderes kann.» Er legte Wayland die Hand auf den Arm. «Und jetzt geh. Syth macht sich bestimmt Sorgen um dich.»
Wayland stand auf.
Vallon blinzelte zu ihm hinauf. «Bevor Drogo weggeritten ist, habt ihr einen Blick gewechselt. Als ob ihr ein Geheimnis miteinander hättet.»
«Und was für eine Art Geheimnis sollte ich mit Drogo haben?»
Das schräg einfallende Licht ließ Waylands Gesicht im Schatten. Vallon nickte. «Dann habe ich es mir wohl nur eingebildet. Lass Syth nicht warten.»
Als Wayland gegangen war, verschränkte Vallon die Hände hinter dem Kopf und starrte in den Himmel. Ein paar Gänse flogen in einer so genau ausgerichteten Formation flussaufwärts, dass sich beinahe ihre Schwingen berührten. Bald würden sie nach Süden ziehen und nur einige Tage für eine Strecke brauchen, die Vallon und seine Leute mit der
Shearwater
nicht einmal in einem Monat zurücklegen konnten. Der Winter stand vor der Tür. Sie hatten nichts zu essen. Die isländischen Schiffsführer hatten Raul erklärt, dass es um diese Jahreszeit möglicherweise nicht mehr zu schaffen war, das Nordkap zu umsegeln. Vallon hatte so vieles abzuwägen, doch seine Gedanken waren unstet, und er stellte fest, dass sie immer wieder zu Caitlin wanderten.
Das Boot tauchte inmitten glitzernder Wasserreflexe auf. Vallon kam auf die Füße und beschattete die Augen mit der Hand. Sechs Männer waren aufgebrochen, und nur fünf kehrten zurück. Er erkannte Rauls gedrungenen Körper und betete, dass der fehlende Mann nicht Hero oder Richard war. Er ging bis zur Spitze der Sandbank und grüßte zu den Brandstiftern hinüber. Als er Hero und Richard ausmachen konnte, dankte er Gott. Dann überkam ihn das schlechte Gewissen – der fehlende Mann war ein Isländer, ein Mann, dessen Namen er vergessen hatte und an dessen Gesicht er sich nicht erinnern konnte.
Als das Boot näher kam, sah er, dass Rauls Bart zu einer krausen Matte verbrannt war und seine Augenbrauen so versengt waren, dass sie nur noch schwarze Flecken bildeten. Vallon half ihm beim Aussteigen.
«Wir haben den Rauch gesehen. Du warst unsere Rettung.»
In den Gestank versengten Haars gehüllt, ging Raul hinter ihm her. Bei einem Baum ließ er sich erschöpft zu Boden sinken und zupfte mit Fingern voller Brandblasen an seinen nicht mehr vorhandenen Augenbrauen herum. «Ist der Plan mit dem Hinterhalt nicht aufgegangen?»
«Wir haben den Gegner nicht so schwer getroffen, wie ich gehofft hatte. Wie ist es bei dir gelaufen?»
Raul wedelte mit der Hand in Richards und Heros Richtung und schloss die Augen.
Hero und Richard setzten sich neben Raul auf den Boden. Sie wirkten angestrengt, aber erstaunlich gelassen. Dann gesellten sich auch die beiden überlebenden Isländer zu der Gruppe.
«Die Nacht hat nicht gut angefangen», sagte Hero. «Es war so dunkel, dass wir jede Orientierung verloren haben. Die Strömung hat uns immer wieder ans Ufer getrieben. Schließlich nahmen wir an – einfach, weil inzwischen so viel Zeit vergangen war –, dass wir unterhalb der Flussbiegung wären, aber wir konnten das Wikingerlager trotzdem nicht finden. Die Mücken haben uns bei lebendigem Leib aufgefressen. Wir waren ziemlich entmutigt und haben beschlossen, ans Ufer zu rudern, um uns auf den Rückweg zu
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