Der Thron der Welt
nicht, die wir getötet haben.»
«Es könnten auf unserer Seite auch noch mehr Tote gegeben haben. Ich weiß nicht, wo Helgi ist. Er hat einen schweren Hieb abbekommen.»
Vallon erinnerte sich an den Reiter, der schwankend im Sattel seines fliehenden Pferdes gehangen hatte. Er hob die Hand. «Sein Pferd ist dort entlang ausgebrochen.»
Fulk machte sich auf die Suche. Drogo stieg aus dem Sattel und wischte die Klinge seines Schwertes mit einer Handvoll Kiefernnadeln ab. Er sah Vallon kurz an, schüttelte den Kopf, und rammte sein Schwert in die Scheide.
Vallon ging ein Stück zur Seite und hob das Gesicht in die Morgendämmerung. Tief atmete er die nach Harz riechende Luft ein und wunderte sich, dass er noch lebte.
Einer der Isländer kam aus dem Wald und rief etwas.
«Sie haben Helgi gefunden.»
Sein Pferd hatte ihn weit getragen, bevor er aus dem Sattel gestürzt war. Einige Isländer umringten ihn. Er lag auf der Seite und hatte den Rücken schräg an den Stamm einer umgestürzten Birke gelehnt. Sein Gesicht war kalkweiß, seine Augen ausdruckslos, ein Blutfaden lief von einem Winkel seiner dunkel verfärbten Lippen herab. Vallon wollte neben ihm in die Hocke gehen, aber Drogo zog ihn zurück.
«Deine Visage ist das Letzte, was er jetzt sehen will.»
Drogo kniete sich vor Helgi und hob ihm den schlaffen Arm von der Brust. Vallon verzog das Gesicht. Thorfinns Axt hatte eine entsetzliche Verletzung angerichtet. Sie hatte Helgi unter der Achsel getroffen und war schräg durch seinen Oberkörper gefahren, sodass man das nur noch schwach schlagende Herz unter den zertrümmerten Rippen sehen konnte. Der Hieb hatte seine Innereien zerfetzt, und aus den aufgerissenen Därmen sickerte eine übelriechende Flüssigkeit. Drogo nahm Helgis Hand.
Vallon sah die Isländer an. «Habt ihr jemanden losgeschickt, um seine Schwester zu holen?»
«Bis sie hier ist, hat er längst den Geist aufgegeben.»
Vallon setzte sich auf den Baumstamm und sprach lautlos Drogos Gebet mit.
«Gloria patri, et filio et spiritu sancto …»
Als er wieder aufsah, war der stolze und schöne Helgi nicht mehr von dieser Welt. Vallon empfand keinerlei Genugtuung über seinen Tod. Er war lästig gewesen, aber kein Feind. Vallon erhob sich und sah über den Fluss. Ein schöner Tag kündigte sich an, Sonnenstrahlen warfen leuchtende Flecken auf den Waldboden, goldfarben schimmernde Lichtbalken fielen schräg zwischen die Nadelbäume. In der Ferne war das Hämmern eines Spechts zu hören.
Ein Ruf ertönte. Dann noch einer, und bis Vallon zurück auf dem Hügelkamm war, schallte ein Chor triumphierender Schreie durch den Wald. Der Anblick, der sich ihm bot, raubte ihm beinahe den Atem. In der Richtung des Wikingerlagers stieg eine rußige Rauchsäule in den Himmel.
Er grinste Drogo an. «Doch kein so schwachsinniger Plan, was?»
Drogo lachte kehlig. «Eines Tages ist auch dein Glück aufgebraucht, und darauf warte ich nur.»
«Das Glück ist mit den Tapferen.»
«Versuch das Helgis Schwester zu erzählen.»
Vallon wurde wieder ernst. «Du bringst ihr jetzt besser bei, was passiert ist.»
Drogo nickte und stieg aufs Pferd. Wayland stand in der Nähe, und als Drogo sein Pferd umdrehen ließ, begegneten sich ihre Blicke und versanken kurz ineinander. Dann schaute Drogo zu Vallon hinüber, lächelte seltsam und ritt davon.
Die Isländer trugen ihre Gefallenen zum Lager zurück und überließen die getöteten Wikinger, deren Waffen sie eingesammelt hatten, dem Begräbnis durch ihre Gefährten oder den Wölfen und Krähen. Als sie fort waren, stiegen Vallon und Wayland zum Ufer hinunter, um Rauls Rückkehr zu erwarten. Der Falkner saß auf einem Stein, streichelte seinen Hund, und starrte ans andere Flussufer hinüber. Als er ihn so sah, dachte Vallon, wie stolz er wäre, ihn zum Sohn zu haben.
«Du bist ein geborener Krieger», sagte er. «Obwohl ich von Kindesbeinen an für den Kampf geschult wurde, hast du mehr Männer getötet als ich in deinem Alter.»
«Das Töten bereitet mir keinerlei Vergnügen.»
«Das überrascht mich. Du hast mir erzählt, dass dein Großvater ein Wikinger war und immer kämpfen wollte. Ich habe geglaubt, du wärst stolz auf seine Erfolge.»
«Das waren Märchen, die er mir erzählt hat, während er sein Gemüse anbaute.» Wayland warf Vallon einen kurzen Blick zu. «Habt Ihr denn Vergnügen am Töten?»
Vallon dachte darüber nach. «Die Niederlage meiner Feinde bereitet mir Genugtuung. Die Welt ist ein
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