Der Thron der Welt
der Tiere, die er entdeckte, waren Räuber in einem Wald ohne Beute. Er sah ein Zobelpärchen wie Aale durch die Baumkronen gleiten, und er überraschte eine Gruppe Vielfraße dabei, wie sie die Innereien aus einem toten Bären zogen, der so grau und ausgemergelt aussah, dass er vermutlich an Altersschwäche gestorben war. Vielfraße kannte Wayland nicht, und er fand ihre Wildheit unglaublich. Als der Hund um sie herumtänzelte, wichen sie keinen Zoll zurück, stattdessen spuckten und knurrten sie ihn aus so bösen Gesichtern an, dass sie Wayland noch Nächte später in seine Träume verfolgten. Der Hund sah ihn an, wollte Hilfe. Doch er rief ihn zurück. Danach knurrte der Hund den ganzen Tag vor sich hin, als wären ihnen die Vielfraße auf den Fersen.
Vier Tage flussauf kam das Boot mit Vallons Leuten an einer alten Frau vorbei, die am Ufer neben der Leiche eines alten Mannes saß. Es war die Frau, die Helgi von dem aufgegebenen isländischen Schiff geholt hatte. Der Tote war ihr Ehemann.
Einer der Isländer sprach sie an. Sie hob die traurigen Augen und sagte, sie wolle keine Hilfe.
«Was ist denn da los?», sagte Vallon. «Warum haben die Isländer sie zurückgelassen?»
«Das hat sie selbst entschieden», sagte Raul. «Sie will nicht mehr weiter. Außer ihrem Mann hat sie keine Familie.»
«Lasst mich mit ihr reden», sagte Hero.
Vallon warf einen Blick flussauf. «Aber nicht zu lange. Da vorne ist wieder eine Stromschnelle.»
Hero und Richard gingen ans Ufer. Raul warf ihnen noch einen Spaten zu. «Wir werden die Toten noch bald genug einfach liegenlassen, wo sie zusammengebrochen sind, bevor diese Reise zu Ende ist.»
Hero trat auf die alte Frau zu und räusperte sich. Sie sah ihn an.
«Meine Güte. Du bist einer von den Ausländern.»
Hero ging neben ihr in die Hocke. «Woran ist dein Mann gestorben?»
«An Erschöpfung. An Verzweiflung. Sein Herz ist stehengeblieben, und Helgis Männer haben ihn einfach ans Ufer geworfen. Man möchte glauben, dass sie keine Väter haben.»
Hero legte ihr den Arm um die mageren Schultern. «Wir beerdigen ihn, und wenn das Gebet gesprochen ist, nehmen wir dich mit in unser Boot.»
Sie sah auf, und Hero entdeckte in ihren Zügen den schwachen Widerschein jugendlicher Schönheit. «O nein», sagte sie. «Erik und ich waren sechzig Jahre zusammen. Und jetzt lasse ich ihn nicht allein.» Sie tätschelte Heros Hand. «Du fährst weiter. Ich bin durchaus zufrieden.»
Richard beugte sich zu ihr. «Hast du denn sonst gar keine Familie? Wolltest du nicht deshalb nach Norwegen?»
Ein Schatten zog über ihr Gesicht. «Alle unser Kinder und Enkel sind tot. Es ist ein bitteres Schicksal, wenn man seine Nachkommen überlebt. Unser Jüngster ist letztes Frühjahr gestorben. Als er tot war, konnten wir einfach nicht mehr auf dem Gehöft bleiben. Erik hat entschieden, es zu verkaufen und nach Norwegen zurückzukehren. Von dort stammt er. Wir sind uns begegnet, als er auf einem Händlerschiff nach Reykjavík gesegelt ist. Er war so ein schöner Mann. Eriks Familie lebt in der Nähe von Nidaros, und er sagte, wir würden unseren Lebensabend nicht weit vom Bauernhof seiner Schwester verbringen. Er ist mit den Isländern nie warm geworden. Hocken in ihren Sippen zu dicht aufeinander, hat er gesagt. Sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie für andere nichts übrighaben. Wir wären bei seinesgleichen glücklicher, hat er gesagt. Ich war da nicht so sicher. Lieber bleiben wir bei dem, was wir kennen, hab ich zu ihm gesagt.»
«Ich bin sicher, dass Eriks Schwester dich gern aufnehmen wird.»
Die Alte schnaubte. «Stell dir doch nur mal den Anfall vor, den sie bekommen muss, wenn ich vor ihrer Tür auftauche. Siebenundachtzig Jahre, beinahe blind und auch noch mittellos.»
«Du hast gesagt, ihr hättet Geld vom Verkauf eures Gehöfts.»
«Das haben Helgis Männer Erik abgenommen, als wir von unserem Schiff mussten. Diese Caitlin sagte, sie würde für mich darauf aufpassen.» Die alte Frau zog Heros Kopf zu sich heran. «Sie ist ein durchtriebenes Stück», flüsterte sie und nickte entschieden. «Wenn du sie in einem neuen Kleid mit einer neuen Brosche siehst, dann denk dran, wer dafür bezahlt hat.»
Hero warf einen finstern Blick flussauf, bevor er sich wieder der Frau zuwandte. Sie achtete nicht auf die Moskitos, die ihr im dünnen weißen Haar herumkrochen. «Vallon wird dafür sorgen, dass du dein Geld zurückbekommst. Und du brauchst kein Silber, um mit uns zu
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