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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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der Hauptgruppe auseinandersetzen zu müssen. Aus der Art, wie der Hund knurrte und angriffslustige Blicke nach rechts und links warf, konnte Wayland schließen, dass sie ihn beobachteten und dass einer von ihnen hinter ihm war.
    Er ging weiter. Das Tageslicht wurde schwächer, als sich der Wald auf eine natürliche Allee öffnete. Am Ende dieser Allee waren zwei Fichtenwipfel herabgezogen und mit Tauen verankert worden, sodass sie einen Bogen bildeten. Vom Scheitelpunkt des Bogens hing ein dunkles Bündel herab. Es war Raul, der zwanzig Fuß über dem Boden an Händen und Füßen zwischen den Bäumen aufgespannt worden war.
    Wayland hängte sich den Bogen über die Schulter und nahm die Eisenwerkzeuge und den Stoff aus dem Rucksack. Mit ausgestreckten Händen ging er weiter, als wolle er die Gaben unter den baumelnden Mann legen. Auf beiden Seiten des breiten Weges erhoben sich Lappen aus dem Gebüsch. Sie trugen Kapuzenkittel aus Rentierhäuten. Die Fellseite zeigte nach innen, und die Kapuzenränder waren mit Wolfs- oder Fuchspelz verbrämt. Es war ein kleingewachsenes Volk, die Männer kaum größer als fünf Fuß, jedoch mit ausgewogenem Körperbau und den boshaften Zwergen ganz und gar nicht ähnlich, als die sie von den Wikingern beschrieben wurden. Die meisten trugen kleine Bögen oder Steinäxte, und einige hatten Hörner aus Birkenrinde aufgesetzt. Wayland sah niemanden mit Rauls Armbrust. Wahrscheinlich wussten sie nicht, wie man sie benutzte, oder sie hatten nicht genügend Kraft, um sie zu spannen.
    Kurz vor dem Bogen blieb Wayland stehen. Raul hing dort mit nach oben gezogenen Armen, das Kinn war ihm auf die Brust gesunken. Seine Kleidung war zerfetzt und fleckig. Bei seinem Anblick musste Wayland an die blutenden Christusfiguren denken, die er hinter Kirchenaltären gesehen hatte. Er hatte Raul nie anders als stark wie einen Ochsen erlebt, und es war ein Schock für Wayland, ihn in einem so beklagenswerten Zustand vor sich zu haben.
    «Raul, kannst du mich hören? Raul!»
    Der Deutsche hob ganz leicht den Kopf. «Bist du das, Wayland?» Seine Stimme war nur noch ein heiseres Krächzen. Sein Gesicht war blutig und angeschwollen, und eines seiner Augen war ihm ausgestochen worden. «Sie haben mich bei einem Schläfchen erwischt. Sie haben mich angegriffen, ehe ich mich’s versah. Das sind verschlagene Teufel.»
    «Wie viele hast du getötet?»
    «Drei, glaube ich. Einer war noch ein Kind. Ich habe auf den ersten geschossen, den ich gesehen habe, und dann die Beine in die Hand genommen. Sie haben mich mit Schlingen zu Fall gebracht, und dann haben sie sich allesamt auf mich gestürzt. Sie haben mir die Rippen und weiß Gott was sonst noch alles gebrochen.» Er hustete und atmete mit einem pfeifenden Geräusch ein. «Ich habe schwere Verletzungen, Wayland.»
    «Rede nicht mehr. Ich hole dich da runter.»
    Raul schüttelte den Kopf. «Nicht einmal du kannst meinen Arsch retten. Die Heiden da unten wollen die Seile nur noch durchhacken. Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann erlöse mich von meinem Elend.»
    «Ich werde mit ihnen handeln. Du musst einfach …»
    Ein heiseres Lachen. «Ich gehe nirgendwo mehr hin.»
    Wayland legte seinen Bogen auf die Erde und das ausgeliehene Schwert darauf.
    Raul atmete keuchend ein und hustete mühsam. «Es hat keinen Zweck, wenn wir beide sterben.» Seine Stimme wurde schwächer. «Du weißt, was sie tun werden. Sie werden mich mittendurch reißen.» Sein Körper verkrampfte sich. «Ich hätte nie gedacht, dass ich wie einer von diesen Märtyrern abtrete.»
    «Du wirst nicht sterben», sagte Wayland. Er sah zu den Bäumen hinüber, suchte nach dem Anführer. Einige der Bogenschützen waren Frauen und andere noch grün hinter den Ohren. Er suchte sich einen älteren Mann aus, der aussah, als könnte er kühlen Kopf bewahren, und ging mit den Tauschwaren in den Händen auf ihn zu. Er war fünf oder sechs Schritte gegangen, als die Lappen einen Warnschuss abgaben und der Pfeil nur wenige Fuß vor ihm in den Boden fuhr. Er warf einen Blick zurück auf seine Waffen. Noch ein halbes Dutzend Schritte und er würde sie nicht mehr erreichen können, falls die Lappen angriffen. Seine Zunge blieb ihm am Gaumen kleben. Er legte dem Hund eine Hand auf die Schulter.
    «Wayland», rief Raul mit einer Stimme, die aus seinem Innersten zu kommen schien. «Ich schätze es hoch, dass du mir nachgekommen bist. Sehr hoch. Du hast mehr getan, als jeder Kamerad verlangen kann, und ich

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