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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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würde der Vogel die Kiesel mit Schmiere überzogen wieder herauswürgen. Eine Vier-oder-Fünf-Tages-Kur mit den Steinen würde den Jagdinstinkt des Tieres so anstacheln, als hätte es eine Woche nichts gefressen.
    Er wollte dem Falken die Haube abnehmen, doch Ibrahim hielt seine Hand fest. Dann wackelte er mit dem Zeigefinger und ging in seine abgetrennte Kammer, in der er auch Geheimmittelchen und Essenzen aufbewahrte. Er murmelte etwas vor sich hin und kehrte mit einem Spatel zurück, auf dem ein Häufchen weißer Kristalle lag.
    «Was ist das?»
    Ibrahim sagte es ihm nicht. Er erklärte Wayland, dass er den Falken festhalten solle. Als er ihn fest im Griff hatte, schnitt Ibrahim ein Stückchen Taubenbrust von der Größe einer Weintraube zurecht und wälzte es in den Kristallen. Dann drückte er den Schnabel des Falken auf und schob ihm das Fleisch so tief in die Kehle, dass er gezwungen war, es zu schlucken.
    Er bedeutete Wayland, den Vogel auf seinem Sitzblock abzusetzen und das Abführmittel wirken zu lassen. Dann zog er sich gähnend in seine Schlafkammer zurück. Wayland blieb auf und überwachte den Falken. Nur eine Lampe brannte noch, und es war sehr still in der Stallung. Nach einer Weile streckte der Falke den Hals und riss den Schnabel auf. Wayland sah zu der Schlafkammer des Falkenmeisters hinüber. Er versuchte sich zu entspannen. Seine Gedanken wanderten zu Syth. Er hatte sie seit ihrer Ankunft im Lager nicht gesehen. Hero hatte ihm erzählt, dass gut für sie gesorgt wurde, aber warum hatte der Emir ihren Namen gesagt? Vallon hatte es ihm nicht erklärt. Es schien sich keine einzige Seldschukenfrau in dem Feldlager zu befinden.
    Der Falke schwankte auf seiner Sitzstange. Wayland sprang auf. Der Vogel krümmte sich würgend vor. Wayland hastete zu der Schlafkammer des Falkenmeisters, riss den Vorhang weg und rüttelte ihn an der Schulter.
    «Mit dem Falken stimmt etwas nicht.»
    Ibrahim brummte etwas, drehte sich auf die andere Seite und zog sich die Decke über den Kopf.
    Als Wayland wieder in die Stallung kam, fand er den Falken auf dem Boden liegend, wo er den Kopf ruckartig vor und zurück bewegte. Dann stellte er die Schwanzfedern auf und schied einen Strom schmutzig wässrigen Dung aus. Wayland zog dem Vogel die Haube ab und stöhnte vor Panik. Das Tier war vergiftet worden. Er trug es in der Stallung auf und ab, bis seine Arme taub wurden, dann setzte er es zurück auf seine Sitzstange und starrte es gelähmt vor Verzweiflung an. Aus dem Schnabel rann schmieriger Speichel. Unheilvoll klickende Geräusche drangen aus den Eingeweiden in die Kehle des Vogels empor. Wayland ließ seinen Kopf in die Hände sinken. Die Lampe verlosch, und seine Augen fielen zu.
     
    Zarte Sonnenstrahlen drangen ins Innere des Zeltes. Wayland wurde blinzelnd wach und sah Ibrahims Gesellen die Belüftungsklappen der Zeltbahnen öffnen. Die Sitzstange des Gerfalken war leer.
    Wayland sprang auf die Füße, als Ibrahim aus der Kammer trat, in der frisch gefangene Falken isoliert gehalten wurden. «Wo ist er? Ist er tot?»
    Ibrahim lockte ihn mit gekrümmtem Zeigefinger in die Kammer. Als Wayland eintrat, saß der Falke ohne Haube auf einem Holzklotz, und sobald der Vogel ihn sah, schlug er wild mit den Flügeln, heißhungrig und mit klarem Blick. Der Falkenmeister hielt Wayland ein Stück Tuch hin. Darauf lag eine schleimige Schicht aus Schmiere und Fett, die der Vogel ausgewürgt hatte, während Wayland schlief.
    Nun sei das Tier bereit für seine erste Übungsstunde, bedeutete ihm Ibrahim und zog dem Falken die Haube über den Kopf. In der Kammer stand etwa zehn Fuß von dem Sitzblock entfernt ein Stuhl. Ibrahim reichte Wayland einen Streifen Fleisch, mit dem er sich auf den Stuhl stellen sollte. Dann zog er dem Falken die Haube ab. «Ruf ihn.» Der Wortschatz, über den sich der Seldschuke und der Engländer verständigen konnten, bestand lediglich aus einem Dutzend Begriffe, doch ihr geteiltes Interesse wirkte wie eine gemeinsame Sprache.
    Wayland streckte die Faust aus. Der Falke hob stürmisch ab und flog kraftvoll los, um sich den Leckerbissen zu holen.
    «Setz ihn wieder auf den Klotz», sagte Ibrahim. Er gab Wayland das nächste Fleischstückchen.
    «Ruf ihn.»
    Nach drei steilen Kurzflügen zur Faust hinauf hechelte der Falke. Und nach den nächsten drei sah Wayland, dass sich das Tier fragte, ob so ein kleiner Bissen die Mühe wert war. Als er seine Hand zum achten Mal ausstreckte, weigerte sich der Falke zu

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