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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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ganz tot. Wir müssen vor Tagesanbruch aus dem Wald heraus sein.»
    Wayland deutete auf den Jungen, dann auf den Hund, und anschließend machte er eine streichende Bewegung den Weg hinunter. Dann deutete er auf die Flüchtenden und machte noch einmal die gleiche Geste.
    Vallon runzelte die Stirn. «Ich glaube, er will sagen, dass wir auf dem Weg weitergehen und den Jungen als Geisel benutzen sollen.»
    Nun deutete Wayland auf sich selbst, dann auf die Bäume, und beschrieb mit der Hand einen Halbkreis, um anzuzeigen, dass er einen Bogen durch den Wald schlagen würde, um den Banditen in den Rücken fallen zu können.
    Vallon sah den Jungen an. «Finde heraus, wie sein Vater heißt.»
    Als Raul auf ihn zuging, wich der Junge so weit zurück, wie es der Strick zuließ, und atmete flach und hörbar durch die Nase. Raul packte den Jungen am Kragen und hob ihn vom Boden. «Sag uns, wie dein Vater heißt, du kleiner Mistkäfer.»
    Der Junge würgte eine Silbe hervor.
    «Was war das? Ash? Hast du Ash gesagt?»
    Der Junge ruckte mühsam mit dem Kopf auf und ab. Raul stellte ihn wieder auf die Füße. «Klang wie Ash.»
    Wayland nickte.
    Vallon musterte den dunklen Weg. «Wie viele Reisende hier wohl schon den Tod gefunden haben?», sagte er. Dann wandte er sich an Raul. «Ich finde, wir sollten Ash ein bisschen von den Schrecken zurückgeben, die er so großzügig verteilt hat.»
     
    Auf die Banditen, die bei der Eiche auf der Lauer lagen, mussten sie wie eine Erscheinung aus dem Märchen wirken. Der Junge saß rittlings auf dem riesenhaften Hund, Vallons Schwertklinge ruhte glitzernd auf seiner Schulter, und die Übrigen scharten sich dicht um die beiden.
    Einen Pfeilschuss von der Eiche entfernt blieben sie stehen.
    «Ash?», rief Raul. «Ash? Deine Augen trügen dich nicht. Das ist dein Sohn auf dem Hund, und er wird ihn genauso erbarmungslos zerfleischen, wie er Siwards Kehle zerfleischt hat. Leofric ist auch tot. Der Wolfsjunge hat ihn getötet. Willst du wissen, wo der Wolfsjunge steckt? Er ist näher bei dir, als du denkst. Er beobachtet dich. Er trägt den Umhang und die Kapuze deiner eigenen Leute. Sieh dir genau an, wer neben dir steht. Sieh ganz genau hin. Bist du sicher, dass du wirklich weißt, welchen Mann du vor dir hast? Bist du sicher, dass es überhaupt ein Mann ist? Der Wolfsjunge kann sich nämlich in jede Gestalt verwandeln. Und jetzt hör genau hin.»
    Totenstille. Dann erklang ein Geräusch, bei dem sich Vallons Nackenhaare sträubten. Der Hund, den alle für stumm gehalten hatten, hob den gewaltigen Kopf und stimmte jaulend in das Geräusch ein. Das klagende Heulen jagender Wölfe stieg auf, bis es den gesamten Wald zu erfüllen schien. Dann erstarb es und hinterließ eine schaurige Leere.
    «Die Vorstellung ist beendet», schrie Raul. «Wenn du deinen Jungen lebend wiedersehen willst, folgst du uns nicht. Falls du tust, was ich sage, kannst du ihn unversehrt im nächsten Dorf abholen.»
    Sie setzten sich wieder in Bewegung. Eine Meile jenseits des Hinterhalts wurde der Wald von offenem Land abgelöst. Raul blies die Wangen auf. «Hauptmann, das war der längste Marsch meines Lebens. Mein Rücken kam mir vor wie eine einzige große Zielscheibe.»
    Vallon sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. «Woher wusstest du, dass ich mit Rodrigo Diaz gekämpft habe?»
    «El Cid? Das wusste ich nicht. Das waren nur Schausteller-Sprüche.» Er stolperte. «Oder etwa nicht?»
    «Geh mit den anderen weiter.»
    Raul entfernte sich. Hinter ihnen erstreckte sich der Weg wie ein Band aus schwärzlich angelaufenem Silber. Vor ihnen klang Hundegekläff aus der Ferne herüber. Vallon wischte sich mit dem Handrücken über die Augenbrauen. Er hatte das Gefühl, durch einen Albtraum gegangen zu sein.

X
    A n einem milden, bewölkten Nachmittag Anfang April standen die Vagabunden ein paar Meilen südlich von Stamford an einer belebten Kreuzung der
Earninga Straete
. Auf den umliegenden Feldern pflügten und säten die Bauern, und der gleiche Anblick bot sich auf allen Feldern, die sich bis zum Horizont erstreckten, so als wären die Bauern selbst Feldpflanzen.
    Sie hatten eine Rast eingelegt. Mit ausgestreckten Beinen, die Ferse des einen Fußes auf die Zehen des anderen gestellt, lagen sie im Gras und beobachteten den vorbeiziehenden Menschenstrom auf der Straße. Niemand behelligte sie. Nachdem sie drei Wochen lang im Freien übernachtet hatten, sahen sie aus wie eine Bande durchtriebener Spitzbuben. Das Gleiche galt

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