Der Thron der Welt
nehmt euch etwas zu essen.»
Vallon war nach der ganzen Schinderei genauso am Ende wie die anderen. Schwer ließ er sich auf eine Ruderbank sinken und tastete seine Seite ab, wo er sich die Muskeln gezerrt hatte. Seine Handflächen waren mit Blasen und kleinen Schnitten übersät, seine Finger geschwollen, und die Fingerspitzen so weiß wie die eines Toten. Als er die feuchten Kniehosen von den Beinen schüttelte, stellte er fest, dass die Innenseiten seiner Oberschenkel bis aufs Blut aufgescheuert waren. Nachdem er sich mit Schwamm und viel sauberem Wasser gewaschen und frische Kleidung angezogen hatte, fühlte er sich ein wenig besser.
«Herr, hier, nehmt das», sagte Richard und bot ihm Brot, Hammelfleisch und einen Becher Ale an.
Er aß nur ein paar Bissen, bevor seine Unruhe wieder Oberhand gewann. «Drogo muss jetzt schon auf halbem Weg nach Lynn sein. Gehen wir an die Arbeit.»
«Das da ist das Kielschwein», sagte Snorri und deutete auf einen sarggroßen Eichenblock, der über die vier mittleren Querspanten im Laderaum griff. «Die Höhlung in der Mitte nimmt den Mastfuß auf. Der Holzblock darüber, der heißt bei uns Mastfisch. Er umschließt den Mast von vorn und an den Seiten. Das senkt die Spannung im Mast, wenn gesegelt wird. Schlag einen Keil in die Kerbe hinten, und dieser Mast sitzt felsenfest.»
«Verstanden?», fragte Vallon in die Runde.
Zuerst zogen sie den Mast einen Fingerbreit nach dem anderen nach vorn, um seinen Fuß genau über der Kerbe am Kielschwein zu platzieren. Schon diese Aufgabe, die nur ganz langsam ausgeführt werden konnte, zeigte Vallon, mit welchem Gewicht und welchen Kräften sie es zu tun hatten. Snorri bereitete den Mastfisch vor und fettete die Öffnung ein, damit der Mastfuß leichter hineinglitt. «Ich brauche hier unten einen Mann, der den Fuß ins Loch lenkt.»
Vallon sah sich um. «Wayland, das ist deine Aufgabe.»
Raul versetzte dem Falkner einen Schubs. «Ich hab mal gesehen, wie ein Mann bei dieser Sache seine Griffel verloren hat.»
«Verdammt, halt doch dein Maul.»
Snorri legte eine Silbermünze in den Sockel.
«Wozu soll das gut sein?», fragte Wayland.
«Damit zahl ich den Fährmann in die Anderwelt, falls ich ersaufe.»
Raul warf Vallon einen kurzen Blick zu und schnippte ebenfalls eine Münze in den Sockel.
Parallel zum Mast verzurrten sie die Rahe an jedem Ende des Lagerraums an Ruderbänken. Auf Heros Vorschlag hin befestigten sie zwischen ihnen noch ein Querholz, damit der Mast nicht zu weit nach vorn rutschen konnte.
Snorri wickelte einhändig das Ankerseil auf. «Brauch jemand, der sich mit Knoten auskennt, der muss das Seil hier an die Mastspitze binden.»
Raul zog sich an dem schrägliegenden Mast hinauf und befestigte das Seil etwa fünf Fuß unterhalb der Spitze. «Sicher, dass das hält?», rief Snorri.
«Kannst dich ja dran aufknüpfen, dann werden wir’s schon sehen.»
Snorri ging übers Deck und ließ dabei das Seil ablaufen. «Jetzt takeln wir die Falle.»
Das war ein kräftiger, fünfzehn Fuß langer Pfosten mit gegabelter Spitze. Snorri zog das freie Ende des Seils durch die Gabelung, dann richteten Wayland und Raul den Pfahl gemeinsam auf und stellten ihn in einen Sockel vorn im Laderaum. Das Seil verlief nun oben vom Mast zu der Gabelung im Pfosten und von dort aus bis zum Vordeck, auf dem alle bereitstanden. Snorri bezog neben ihnen Aufstellung und gab die Befehle. «Das Seil straffziehen.»
Vallon zog gemeinsam mit den anderen.
«Fester. Es hängt durch.»
Vallon zog, bis er den Gegenzug des Mastkörpers spürte.
«Alle zusammen jetzt – ziehen!»
Vallon stemmte sich auf den Fersen zurück. Das Hanfseil spannte sich surrend, doch der Mast rührte sich nicht.
Snorri, der halb in die Hocke gegangen war, trieb sie an. «Zieht schon. Oder seid ihr zu blöd dazu? Lang und gleichmäßig. Hängt euch rein. Was soll denn das sein? Das hab ich ja schon Säuglinge besser machen sehen. Zieht um euer Leben, verdammt. Brecht euch das Kreuz. Lasst eure Lungen platzen!»
Dieses Mal bekamen sie den Mast ein paar Fingerbreit hoch, doch er war zu schwer und sackte gleich wieder ab.
Schwer atmend standen sie da und schüttelten ihre Hände aus.
«Wir brauchen mehr Hebelkraft», keuchte Vallon. Sein Blick fiel auf einen der Riemen. Er ging darauf zu.
«Zerbrecht mir bloß nicht die Riemen», schrie Snorri. «Im Laderaum sind Balken.»
Vallon fand einen acht Fuß langen Eichenbalken, stellte sich hinter den Mast und hob den
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