Der Thron des Haryion
war.
»Verlaßt den Stock«, ächzte er. »Schnell. Mythor soll…« Er wollte sich aufrichten, fiel aber sofort wieder zurück.
»Wer bist du?«
Burras Frage konnte er nicht mehr beantworten, weil ihm die Sinne schwanden. Vorsichtig nahm Gerrek den schlaffen Körper auf und wollte ihn an Bord der Phanus tragen, aber die Amazone hielt ihn zurück.
»Wir müssen in den Stock«, verlangte sie. »Shrouks sind eingedrungen. Zweifellos haben sie es auf Mythor und Fronja abgesehen.«
Eine Erschütterung, weitaus stärker als alle vorangegangenen, ließ erste, fingerbreite Risse in dem Geflecht entstehen. Geräusche, die sich anhörten wie Peitschenknallen, erklangen von Westen her.
Gerrek wurde sichtlich bleich.
»Das Schwarz reißt«, stieß er hervor. »Demnach hat der Troll nicht gelogen.« Vorsichtig schlug er den Kleinen auf die Wangen. »Wach auf – mach schon. Wenn ich die Haryie zu fassen bekomme, die das getan hat…«
»Sie muß den Geruch der Zaron-Federn wahrgenommen haben«, erklärte Heeva. »Du kannst ihr daraus keinen Vorwurf machen.«
Mit wuchtig geführten Klingen drosch Burra auf das Geflecht des Stockes ein. Sie schaffte es, zwei Risse schnell zu verbreitern. Andere Kriegerinnen halfen ihr, und schließlich konnten sie ganze Stücke herausbrechen.
»Einige müssen bei der Phanus zurückbleiben«, bestimmte Burra, an Gerrek gewandt. »Du, Scida, Nunive, Perda und die Aasen. Die anderen gehen mit mir. Wir holen Mythor und Fronja.«
Ein Grollen schien tief aus dem Innern des Stockes zu kommen, gefolgt von dem bisher heftigsten Beben. Der Lärm schwoll an, wurde fast körperlich spürbar. Gleichzeitig wuchs der Sturm zum Orkan. Einige Haryien wurden davongewirbelt, verschwanden sich überschlagend in Richtung des Schlundes.
Ein irrlichterndes Leuchten stand im Westen – ein kaltes Feuer, das zuckend nach dem Stock griff.
Burra schauderte. Mit aller Kraft zog sie sich vorwärts, hinein in die entstandene Öffnung. Nur der Gedanke an Mythor beseelte sie. Drei Schritte unter ihr lag der Boden. Sie sprang, kam federnd auf… Ein wuchtiger Stoß riß sie von den Beinen, wirbelte sie gegen die nächste Wand.
Plötzlich umfing sie eine tödliche Stille.
Der Westanker mußte gerissen sein.
Burra hastete weiter. Hinter ihr kamen andere. Und ein allmählich lauter werdendes Knistern begleitete sie.
Der Sog des Schlundes zerrte am Stock. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch der Ostanker dieser Belastung nicht mehr standhielt.
8.
Das Chaos griff nach dem Nesfar-Stock.
Noch einmal versuchte Mythor, sich davon abzukapseln, denn eben erst war er in Borkers Erinnerungen auf Begriffe gestoßen, die ihm wichtig erschienen. Aber er schaffte es nicht. Borker, Jäglau und all die anderen, die vor ihnen Haryion gewesen waren, bedrängten ihn. Dabei war es keineswegs Furcht, was sie empfanden – es war ehrliche Sorge um die Nesfar.
Haryien stürmten in das Gewölbe, versammelten sich vor dem Thron des Stockbewahrers. Keine von ihnen achtete auf Fronja, auf Robbin oder Siebentag. Entsetzen sprach aus ihren Worten, denn Shrouks waren eingedrungen.
Die Tochter des Kometen ahnte sofort, was geschah.
Auch der Pfader hegte dieselben Befürchtungen.
»Das gilt euch«, sagte er spontan. »Die Dämonen warten nicht länger ab.«
Fronja nickte verbissen. Immer mehr der Mischwesen scharten sich um den Haryion.
»Ich kann mir vorstellen, wie es für sie ist, gegen Shrouks kämpfen zu müssen«, sagte Robbin.
»Sie werden unterliegen«, meinte Siebentag.
Da noch immer niemand auf sie achtete, zogen sie sich langsam bis an die nächste Wand zurück.
»Hört ihr das auch?« Robbin verharrte und schien angespannt zu lauschen.
Ein dumpfes, anhaltendes Geräusch war zu vernehmen – Vorbote eines heftigen Bebens, das den Stock bis in seine Grundfesten erschütterte und ellenlange Risse entstehen ließ. Unter den Haryien brach Panik aus. Wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm flatterten sie wild durcheinander. Ihr Kreischen übertönte alles andere.
»Verstehst du, was sie rufen?« wandte Fronja sich an den Pfader. Sie mußte schreien, um sich überhaupt verständlich zu machen. Robbin schüttelte den Kopf.
»Haryien haben Angst, daß ein Anker reißt«, gab unverhofft Siebentag zu verstehen. »Fürchten Todesatem des Schlundes.«
»Dann müssen wir Mythor sofort befreien.« Fronja zitterte, als sie die beiden DRAGOMAE-Kristalle an ihre Stirn führte.
»Ich denke, du fühlst dich noch nicht gefestigt
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