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Der Thron des Haryion

Der Thron des Haryion

Titel: Der Thron des Haryion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Oder ist dem nicht so? Würdet ihr, wenn euer Haryion stürbe, nicht ebenfalls wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm davonstieben?«
    Asmilai zuckte zusammen.
    »Ich weiß nicht«, machte sie entsetzt. »Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß unser Stock ohne ein solches männliches Wesen auskommen müßte. Damit wäre unser Weiterleben aufs äußerste gefährdet.«
    »Eben«, nickte Robbin. »Also muß sich jemand gefunden haben, der die Zaron anführt. Vielleicht gar ein Dämon oder ein Diener der Dunkelmächte.«

2.
    Langsam schälte sich ein riesiges Gebilde aus dem Dämmer der Schattenzone. Auf den ersten Blick war noch unklar, um was es sich handelte, aber dann bewies die ungewöhnliche Form, daß es keinesfalls natürlichen Ursprungs sein konnte. Weit im Hintergrund dräute die Schwärze eines gewaltigen Schlundes, den man eigentlich auf diese Entfernung nicht hätte sehen dürfen.
    »Manche Dinge im Reich der Dämonen werden größer, je weiter man sich von ihnen entfernt, oder sie schrumpfen zur Winzigkeit zusammen, wenn man ihnen nahe ist«, erklärte Robbin.
    »Eine verdrehte Welt«, meinte Gerrek. »Ich hätte mit der Luscuma nach Norden fliegen sollen. Gorgan erscheint mir noch immer wie der Inbegriff einer besseren Zukunft.«
    Der Nesfar-Stock besaß die Form einer Spindel, durchmaß an seiner dicksten Stelle mindestens 300 Schritt und entlang der Achse das Doppelte. Je näher die Phanus kam, desto deutlicher wurde der spiralförmige Aufbau, der einem Schneckenhaus nicht unähnlich sah.
    Zu beiden Seiten wuchsen wuchtige Fortsätze aus der Mitte des Stockes hervor, jeweils etliche hundert Schritte lang. Die Ausbuchtung linker Hand verzweigte sich wie das Wurzelwerk eines uralten Baumes und gründete auf einer schroffen Felseninsel, die der Größe des Stockes kaum nachstand.
    In die entgegengesetzte Richtung dehnte sich ein nebelartiges, bewegliches Dunkel, das in einer nicht minder düsteren, spinnennetzartigen Erscheinung mündete. Niemand konnte sagen, wo die einzelnen Längsfäden dieses Netzes begannen – es war, als nähmen sie aus dem Nichts heraus ihren Anfang.
    »Irgendwie ist dieses Ding unheimlich«, stellte Gerrek zögernd fest.
    Eine deutliche Unruhe breitete sich aus. Manche Amazone legte verstohlen die Hände auf die Griffe ihrer Schwerter. Aber es gab kein Zurück. Asmilai hatte zu verstehen gegeben, daß die Haryien ein Ausschlagen ihrer Gastfreundschaft mit Verbitterung aufnehmen würden.
    »Du hast doch eine Nase für so etwas«, wandte Gerrek sich an den Pfader. Aber Robbin schüttelte den Kopf.
    »Bin ich allwissend?« erwiderte er gereizt. »Die Schattenzone kennt soviel Fremdes.«
    »Asmilai«, forderte Mythor die Stockherrin der Nesfar auf, »du solltest uns einige Erklärungen geben. Es sieht so aus, als sei der Stock in diesem Bereich der Schattenzone fest verankert.«
    Die Haryie nickte.
    »Ich ahne, daß ihr vor dem Schwarz zurückschreckt, wenngleich eure Befürchtungen unbegründet sind. Warum habt ihr kein Vertrauen? Wir wollen nichts anderes, als in euch wirkliche Freunde gewinnen.«
    »Dann handle danach«, warf Tertish ein.
    »Habe ich das nicht getan?« Asmilai scharrte ungeduldig mit dem rechten Fang. »Es liegt vielleicht daran, daß wir uns noch nicht richtig kennen. Im Laufe der Zeit wird sich das sicher ändern.«
    Mittlerweile hatte der Stock sich zwischen die Phanus und den nebelartigen Schlauch geschoben, der sich wand und drehte, als wäre er von eigenem Leben erfüllt.
    »Was dieses Schwarz genau ist, können wir selber nicht sagen«, krächzte Asmilai. »Es existiert seit dem Anbeginn unseres Volkes. Für uns ist es eine Gottheit, die wir verehren und die uns vor Feinden beschützt. Gleichzeitig bildet das Schwarz den Westanker, der den Stock festhält. Der andere Anker im Osten, obwohl tief im Felsen verwurzelt, ist allein zu schwach, um dem Sog des Schlundes zu trotzen.«
    Schier erdrückend wuchs der Haryien-Stock vor der Phanus auf. Jetzt aus unmittelbarer Nähe, war zu erkennen, daß viel Treibgut aus der Schattenzone zu seinem Bau gedient hatte. Das Ganze bildete ein unbeschreibliches Durcheinander aus Steinen, Lehm und Erde, aus Ästen, ja sogar ganzen Baumstämmen und den Planken und Segeltuchfetzen gestrandeter oder aufgebrachter Schiffe. Und überall, gleich winzigen Nadeln aus einem Wollknäuel, ragten bleiche Knochen aus dem Stock hervor.
    Die Phanus glitt unter weit ausladenden, nach innen gekrümmten Knochensplittern hindurch, von denen

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