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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Riemann
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sich untergründig die Schlange der allzu engen Mutterbindung und damit die vereinnahmende, verschlingende Seite des Mütterlichen.
    Es gibt Menschen, die mit einer Haltung durch die Welt laufen, die ausdrückt: »Ich möchte verwöhnt werden, ich will es bequem haben«, und diese Menschen beanspruchen für sich ein Recht auf größtmögliche Trägheit. Doch darunter lauert die Schlange der Mutterbindung, und diese Schlange kann lebensbedrohlich werden: Sie kann in Süchte führen, in Abhängigkeit, sie kann lähmen. Das ist das, was aufgedeckt werden muss, und dass dieses Aufdecken Angst macht, dass es schmerzhaft ist, dass man diese Schattenseite des Paradieses nur sehr ungern ansieht, wird in diesem Märchen sehr deutlich.
    Speziell für Männer steckt eine wunderbare Beziehungsbotschaft in dieser Szene: Männer müssen den inneren Muttersohn töten, indem sie aufhören, in der Frau nur die Versorgerin zu sehen, die den Schweinsbraten auf den Tisch stellt und die Hemden bügelt – die Kuh, die jeden Tag Milch gibt. Und erst wenn sie bereit sind, diese kindliche Haltung, dieses Verwöhntwerden, Bekochtwerden, Ernährtwerden, Versorgtwerden »abzuschneiden«, dann erst ist die Begegnung mit einer Prinzessin, mit einer gleichwertigen Frau möglich.
    Diese Thematik wird schon in der Ausgangssituation des Märchens verständlich, in der betont wird, dass Hans der liebste und vermutlich verwöhnteste Sohn der Mutter ist, die ja zu ihm sagt: »Mein Goldkind, lass doch deine älteren Brüder gehen, aber du bleibst bei mir.« Gerade die gute Mutter, die liebevolle, versorgende Mutter macht die Trennung von ihr, die notwendig ist, um selbstständig zu werden, umso schwerer. Freud hat einmal gesagt, lieber zehn Versagensneurosen als eine Verwöhnungsneurose. Denn wenn jemand gewohnt ist, immer versorgt zu werden, kann das zu der Haltung führen: Nun, dann brauch ich’s ja nicht alleine zu machen, dann können auch andere weiter für mich sorgen. Später, wenn die leibliche Mutter nicht mehr da ist, ersetzt man sie womöglich durch die Mutterbrust des Sozialamts, obwohl man sehr wohl allein zurechtkommen könnte. Aber wozu, wenn es doch auch einfacher geht? Die Mutter ist normalerweise die einzige Gestalt im Leben, von der man etwas bekommt, ohne etwas dafür geben zu müssen, und das ist zugleich der positive Aspekt des großen Mütterlichen: Es gibt, ohne zu verlangen – wie die Erde.
    In diesem Sinne ist der Umgang mit dem Archetyp des großen Mütterlichen für den Stier ein zentrales Thema, dessen Problematik in unseren beiden Märchen von zwei Seiten beleuchtet wird: Dort, wo zu wenig gute Mütterlichkeit war (wie in dem Märchen vom Erdkühlein), da will etwas geheilt werden, denn nur so können schließlich die Früchte vom Apfelbaum geerntet werden. Und dort, wo ein Zuviel an guter Mütterlichkeit war (es heißt ja auch, Vielgeliebte sind Fehlgeliebte), dort muss ein Schwert ins Spiel kommen, das den Mutterdrachen, der sich unter der Verwöhn-Bettdecke verbirgt, abtrennt.

Konservativ sein
    Ein wichtiger Begriff aus der Stier-Welt ist »konservativ«. Nicht dass alle Stiere die Konservativen wählen, es geht vielmehr um die Haltung des Bewahrens, der Treue, wie im Bild des Baumes, der insofern »konservativ« ist, als er stehen bleibt, wo er Wurzeln geschlagen hat. Er ist somit ein Symbol für Standfestigkeit. Eine paradoxe Weisheit, die den Stier-Gegenpol Skorpion mit einschließt, heißt: Nichts ändert sich jemals wirklich, und zugleich ändert sich alles ständig. Ein fünfzig Jahre alter Baum zum Beispiel ändert sich nie, weil die inneren Jahresringe, all das, was sein bisheriges Wachsen ausgemacht hat, zu seiner Substanz geworden sind. Auf der anderen Seite kommt jedes Jahr ein neuer Ring dazu. Wir ändern uns nie und ändern uns doch ständig.
    Auf der Stier-Ebene ist die Sehnsucht nach dem, was von Dauer ist, groß. Trennung tut weh, ist wie ein kleiner Tod, sei es von geliebten Menschen, vertrauten Plätzen oder Dingen; Abschied ist im Stier-Konzept nicht vorgesehen. In einem Astrologie-Seminar während meiner Ausbildung mussten wir einmal Botschaften finden, die unserem »inneren Guru« entsprachen. Die Aufgabe lautete: »Stell dir vor, du bist ein Meister auf einem Podest und sollst der wartenden Menge eine Botschaft über den Sinn des Lebens geben, was sagst du in einem Satz?« Einer meiner Kollegen, ein Stier, gab folgende Botschaft: »Ändere dich nie.« Auf den ersten Blick erscheint das seltsam

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