Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
aus dem Munde eines Therapeuten. Und doch ist es ein wunderbares Motto, denn im positiven Sinne heißt das: »Bleib dir selbst treu. Bleib deinem wahren Wesen treu.« Konservativ leben heißt im positiven Sinne also: einen Standpunkt haben, ein Revier sichern und beschützen, verlässlich sein, (sich selbst) treu sein. So bekommen viele Märchenhelden auf ihrem Weg die Aufgabe, eine Herde von Tieren zu bewachen, und wenn ein Tier verloren geht, droht ihnen unter Umständen die Todesstrafe. Das ist eine Stier-Aufgabe.
Sheldon B. Kopp erzählt in seinem Buch Triffst du Buddha unterwegs einen Traum, den er hatte, als er schon ein erfolgreicher Autor und Therapeut war: Er soll vor einer Gesellschaft einen Vortrag halten, aber als er den Saal betritt, sehen die Leute ihn alle ganz merkwürdig an. Er bekommt Angst, weiß nicht mehr, was er sagen soll, und fühlt sich völlig fehl am Platz. Er erwacht schweißgebadet aus diesem Traum, und sein erster Gedanke ist: Da hat man’s mal wieder: Nichts ändert sich jemals wirklich! Ich kann der berühmteste Therapeut aller Zeiten werden, ich kann jeden Tag zehn Stunden meditieren, ich kann ein Bestsellerautor werden, und trotzdem werde ich mich in bestimmten Situationen im Leben genauso hilflos, fehl am Platz und verwirrt fühlen, wie ich mich als kleiner Junge immer gefühlt habe.
Die Erkenntnis »Wir ändern uns nie« ist wichtig, denn wenn wir zu große Entwicklungsansprüche haben und denken, wir könnten die inneren Jahresringe unseres Lebensbaumes loswerden, ist das eine glatte Überforderung. Genauso richtig ist allerdings der Satz: »Du änderst dich dauernd«. Mit jedem Einatmen werden wir neu geboren, und diese beiden Wahrheiten spiegeln sich unter anderem in der Achse Stier-Skorpion im Tierkreis wider.
Mond in Stier
Menschen mit Mond im Zeichen Stier tragen ein inneres Kind in sich, das große Sehnsucht nach einer nährenden Urmutter, einer Bäuerin mit »Kuhwärme« hat, also nach der klassischen maternalen Frau. Die erste Frau im Leben, von der man sich diese Art von Nahrung wünscht, ist die leibliche Mutter. Menschen mit Stier-Mond habe ich in Therapiegruppen immer wieder als diejenigen erlebt, die die Arme nach der Mutter ausstrecken: »Bitte geh nicht weg, bitte bleib da, verlass mich nicht.« Die Dynamik der Gefühle ist hier langsam, melancholisch-erdenschwer, und wenn man sich seelisch eingewurzelt hat, sei es an einem Platz oder in einer Beziehung, flüstert eine innere Stimme: Ich will das immer festhalten. Egal wie sehr man sich vom Kopf her sagt: Lass los, nimm Abschied! Das innere Kind will festhalten, im vertrauten seelischen Revier bleiben. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, inwieweit die leibliche Mutter dem Kind seelischen Boden vermitteln konnte. Stier-betonte Kinder brauchen ein Gefühl von Zugehörigkeit, das Gefühl »hier gehöre ich hin, das gehört mir, das ist meins«.
Man wird in der Regel wenige, aber wichtige Seelenbeziehungen in seinem Leben haben, aus dem einfachen Grund, dass Beziehungen hier sehr langsam wachsen und Liebe viel Zeit braucht, wie das langsame Wachsen eines Baumes. Aber wenn der Liebes-und Beziehungsbaum erst einmal gewachsen ist, dann ist man ein Gefährte auf Dauer, und der andere muss schon sehr viel Unsinn anstellen, um sich diese Beziehung zu verscherzen.
Trennungen dagegen erlebt man wie kleine Tode. Wo ein Widder-Mond, um ein Beispiel zu nennen, Trennungen geradezu genießen kann – »Wunderbar, endlich etwas Neues, mir war schon langweilig!« -, da wird ein Stier-Mond in derselben Situation leiden und diese Trennung als unendlich schwer empfinden, es ist, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen.
Vom therapeutischen Standpunkt aus gibt es hier etwas sehr Wichtiges zu beachten. Verlassene, entwurzelte Stier-Kinder (damit meine ich in erster Linie Kinder mit Stier-Mond) brauchen Heilung im Archetypisch-Weiblichen, im mütterlichen Bereich, und da kann die Natur eine große Hilfe sein, der Weg in den Wald zum Erdkühlein. Ich kenne einige stark Stier-betonte Menschen, die ungeliebte, abgelehnte Kinder waren; sie haben sich selbst intuitiv dadurch geheilt, dass sie etwa einen Lieblingsbaum hatten, auf den sie sich zurückzogen und der ihr Freund wurde, dem sie alles anvertrauen konnten. Manche legten sich einfach auf die Erde und spürten, wie die Erde sie trägt. Auch wenn die Mutter nicht da ist oder wenn sie weggeht, wenn die Familienverhältnisse chaotisch sind, Mutter Erde ist immer da
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