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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Riemann
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Affären verstrickt, mit Göttern ebenso wie mit sterblichen Männern. Die Erde erblühte, wie es hieß, unter ihren Füßen. Ursprünglich war Aphrodite eine der großen Mutter-und Fruchtbarkeitsgöttinnen und galt als Herrin der Tiere. Oskar Adler hat Stier als das Erdhafteste aller Erdzeichen bezeichnet. Die sinnliche, urmütterlich nährende Seite der Existenz ist hier am stärksten ausgeprägt. Aphrodite steht für Sinnesfreuden und für die unerschöpfliche Fülle, wie sie nur eine Erdmutter-Gottheit schenken kann.

Dionysos
    In der griechischen Mythologie gibt es einen Gott, der mitunter in Stiergestalt erscheint. Das ist Dionysos. Er war der Gott, der Milch, Wein und Honig fließen lassen konnte, der Gott des ekstatischen, sinnlichen Genusses. Er war so irdisch, dass er von Homer gar nicht als Olympier bezeichnet wurde. Das finde ich sehr passend, weil auch die Stier-Weisheit ihrem Wesen nach nicht in den geistigen Höhen des Olymp zu Hause ist, sondern wie die Weisheit des Bauern, des naturverbundenen Menschen erdnah und einfach ist. Diese Weisheit ist grundsätzlich nicht besser und nicht schlechter, nicht höher und nicht niedriger zu bewerten als die Weisheit der anderen elf Tierkreiszeichen. Ein Erdmensch (also auch Jungfrau und Steinbock) ist in der sinnlich wahrnehmbaren, (be)greifbaren Welt zu Hause. Er entspricht am ehesten dem, was wir in der westlichen Welt den Realisten nennen. Hierher gehört auch der Naturwissenschaftler, während Geisteswissenschaftler oder Theoretiker mehr in der Welt der Luftzeichen (Zwillinge, Waage, Wassermann) zu finden sind.

Nacken und Kehle
    Ich habe bereits erwähnt, dass es für jedes Tierkreiszeichen eine Entsprechung im physischen Leib gibt. Während bei diesem Modell des großen kosmischen Menschen Widder den Kopf darstellt, entsprechen Schultern und Nacken sowie der orale Bereich, Mund und Kehle, dem Stier. Letzterer deutet auf Sinnenfreude und Genussfähigkeit hin: Es geht um Essen und Trinken, aber auch im tieferen Sinn um Sich-Einverleiben und Besitz Ergreifen. Schultern und Nacken hingegen stehen für Tragfähigkeit und Belastbarkeit, auch hier finden wir wieder die Entsprechung zur geduldigen Mutter Erde, die uns immer noch »erträgt« und nährt trotz allem, was wir ihr antun. Aus der Mythologie gehört das Bild des Atlas hierher, der das ganze Himmelsgewölbe auf seinen Schultern trägt.
    Übermäßiges Ertragen und Aushalten kann auch zu Verspannungen in diesem Bereich führen – man denke an den berühmten eisernen Nacken. »Halsstarrigkeit« und »Hartnäckigkeit« drücken eine rigide innere Haltung aus. Nicht abrücken von einem bestimmten Standpunkt, festhalten an etwas, was womöglich der eigenen Herzensweisheit widerstrebt, das gehört sicherlich zu den Schattenseiten des Stier-Prinzips, also die Tendenz, seelisch, körperlich, geistig zu versteinern. Das ist zugleich auch die dunkle Seite von Verwurzelung, denn so sehr sie ein schönes und wichtiges Motiv für uns alle ist, das uns Sicherheit und einen tragenden Erdboden vermittelt, so gefährlich ist es, zu sehr festzuhalten, zu sehr zu verwurzeln, denn dann verlieren wir den Bezug zur Vergänglichkeit, zu unserer Wandlungsfähigkeit, wir laufen Gefahr zu erstarren.

Arm und reich
    Ein häufig anzutreffendes Märchenmotiv, das im Lichte des Stier-Prinzips betrachtet werden kann, ist »Arm und Reich«. Oft gibt es am Anfang eines Märchens ein armes kleines Kind, Mädchen oder Junge, das im Lauf der Geschichte zu Reichtum kommt und Königin oder König in irgendeinem Land wird. Der äußere Aspekt dieser Entwicklung ist Verwirklichung in der materiellen Welt; es geht darum, etwas aufzubauen, ein »Architekt« eines irdischen Königreichs zu sein. Eine Entsprechung ist auch der Weg des Tellerwäschers zum Millionär.
    In das innere Drama übersetzt, heißt das, dass in uns allen immer auch verarmte, vernachlässigte Wesenskräfte existieren, Persönlichkeitsanteile, denen wir nicht genug Aufmerksamkeit und Wertschätzung schenken, die nicht »hoffähig« sind im Sinne des bewussten KönigsPrinzips. Im Lauf unseres Lebens müssen sie dann wie im Märchen zum Königshof kommen, das heißt, sie müssen von unserem Bewusstsein Aufmerksamkeit und Achtung erfahren. Die Entwicklung von arm zu reich bedeutet hier nicht nur Auffrischung des Bankkontos. Die halb verhungerten Tiere oder Kinder im Wald kann man als innere Anteile begreifen, die wir nicht genug ernähren. Zum Beispiel ist ein verhungerter

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