Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
Waage mit den Nieren, und für beide Zeichen ist Begegnung der zentrale Aspekt. Sehr vereinfacht gesagt hat ein Waage-betonter Mensch in seinem Leben, seinem Umfeld die Aufgabe, wie eine Niere zu wirken: also die Welt zu reinigen, zu entgiften, man könnte auch sagen, zu verschönern.
Damit sind wir auch schon beim Leitmotiv des Waage-Prinzips: dem schönen Menschen. Diese Schönheit hat einen äußeren Aspekt: Kein anderes Zeichen hat ein so genaues Auge wie ein Venus-oder Waage-betonter Mensch, was Farben und Formen angeht. Dieselbe Aufmerksamkeit gilt allerdings auch für die innere Schönheit, und da wäre das Idealbild eines solchen Menschen der heitere, gelassene Weise mit seiner tiefen Freundlichkeit. Der amtierende Dalai Lama hat den Aszendenten im Zeichen Waage. Als er einmal gefragt wurde, was der Inhalt seiner Religion sei, sagte er nur: »Meine Religion heißt Freundlichkeit.« Ein weiterer Waage-Vertreter war Gandhi, der die Philosophie der Gewaltlosigkeit vertrat. Eine tragische, aber fast logische Konsequenz ist es, dass dieser Mensch, der absolute Gewaltlosigkeit gepredigt hat, schließlich durch den Gegenpol, durch Gewalt, ums Leben kam. Daran wird deutlich, wie wichtig es im Interesse der eigenen Ganzheit ist, sich auf den Gegenpol zu beziehen; im Extremfall kann einem sonst passieren, dass dieser Gegenpol sich von außen gegen einen kehrt.
Auch die Haut gehört zu Waage, ein wenig auch zum Saturnzeichen Steinbock. Aber während bei Steinbock und Saturn die abgrenzende Funktion der Haut im Vordergrund steht, geht es bei Waage eher um den erotischen Aspekt, um Berührung. Für Waage-betonte Menschen ist in Bezug auf die Kindheit ein wichtiges Thema, wie sie angefasst wurden, ob Mutter und Vater sie so berühren konnten, ob es schön für sie war oder ob diese Berührung schwer zu ertragen war. Wenn der Kontakt, der über Berührung geht, sehr schwierig war, kann auch die Haut selbst reagieren, mit Allergien bis hin zu Neurodermitis oder dergleichen. Die körperlichen Organe der Waage, an denen sich ihr Unwohlsein manifestiert, sind am ehesten die Haut und die Nieren – daher die Redewendung: Etwas geht mir an die Nieren; das sind meist Beziehungen, in denen unverarbeitetes Gift steckt.
Die schöne Welt
Aus dem bisher Gesagten lässt sich vielleicht verstehen, mit welcher inneren Haltung ein Waage-betonter Mensch auf die Welt kommt. Die Grundhaltung ist das Bedürfnis, eine schöne Welt vorzufinden und da, wo die Welt nicht als schön empfunden wird, diese Schönheit zu erschaffen. Das heißt auch, dass man die Welt nicht in Gestalt von Problemen sehen möchte, denn ein Problem bedeutet immer ein Ungleichgewicht. Folglich gibt es viele Waage-betonte Menschen, die darauf beharren, keinerlei Probleme zu haben. Bei einem wirklich entwickelten Menschen kann das zur Heiterkeit des Weisen führen, der sich durch nichts mehr aus dem inneren Gleichgewicht bringen lässt. Der Segelflieger ist ein sehr passendes Waage-Symbol: Er lässt sich von den Luftströmungen tragen, balanciert sie aus und verschwendet dabei selbst keine Energie. Das ist der größte Gegensatz zum aktiven Gegenpol Widder.
Noch eine Anmerkung zum Thema Schönheit: Waage ist neben Zwillinge und Wassermann eines der drei Luftzeichen, und damit gehören zu ihr auch der ewige Jüngling, die Hetäre und der Denker. Ein Leitbild des Waage-Prinzips ist der Philosoph mit seiner Liebe zur Wahrheit. Es gibt viele große Philosophen, die im Zeichen der Waage geboren sind. Oskar Adler, den ich immer wieder gern zitiere, sagte, dass Schönheit auf der geistigen Ebene zur Wahrheit wird.
Der Schiedsrichter
Unternehmen wir nun einen Ausflug in die griechische Mythologie, in der es viele Geschichten zum Waage-Thema gibt. Wir beginnen mit Teiresias, der sein Leben teils als Mann, teils als Frau lebte. Er begegnete zweimal in seinem Leben einem Schlangenpaar: Einmal erschlug er die männliche Schlange und wurde daraufhin zur Frau, viele Jahre später begegnete er den Schlangen wieder und erschlug die weibliche Schlange, woraufhin er wieder zum Mann wurde. Da er sich nun in beiden Welten so gut auskannte, wurde er von Zeus und Hera zum Schiedsrichter berufen, als die beiden darüber stritten, wer bei der geschlechtlichen Liebe mehr Lust empfinde: der Mann oder die Frau. Der Schiedsrichter ist im übrigen ein wichtiges Waage-Motiv wie auch der Schlichter, der Diplomat, der Vermittler zwischen den Parteien. Bei dem erwähnten Streit ging es wieder einmal
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