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Der Tiger im Brunnen

Der Tiger im Brunnen

Titel: Der Tiger im Brunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Stockwerk hatte einsteigen lassen. Die Position verlieh ihm das Ansehen des rechtmäßigen Bewohners dieses Hauses, während Parrish wie ein Eindringling wirkte, mit anderen Worten, es zeigte die wahren Verhältnisse. Ein paar Stufen über Parrish blieb Jim stehen.
    »Wer sind Sie?«, fragte Parrish.
    »Man dringt nicht in anderer Leute Haus ein und fragt dann, wer sie sind«, sagte Jim. »Ich wohne hier, Sie nicht. Ich gebe Ihnen fünf Minuten, um mit Ihren Männern und dem ganzen Gerümpel von hier zu verschwinden. Danach werfen wir Sie raus. Sie haben da unten ’ne schmucke Standuhr. Also fünf Minuten. Beeilung.«
    Ein Hausmädchen kam furchtsam aus der Küche und blieb dann, die Hand vor dem Mund, stehen. Sarah-Jane beobachtete von oben, wie sie einen flüchtigen Blick hinter sich warf, sah, wie der Kopf eines Mannes in ihrem Schatten auftauchte, an ihr vorbeischaute und leise wieder verschwand.
    Sie fragte sich, ob sie es Jim sagen sollte. Parrish stieg nun rückwärts die Treppe hinab. Im Hausflur angekommen, kehrte er zu seinen Männern zurück, die an der Tür zum Esszimmer standen. Alle beobachteten, wie Jim mit Mendel und den anderen nach unten kam.
    Sarah-Jane sah, wie Jim leichtfüßig am Treppenaufgang stand und mit dem Knüppel in der Hand wartete; sie sah, dass Mendel neben ihm stand, mit verschränkten Armen; er hatte das Aussehen eines Gentleman, der gerade ein Gemälde in der Royal Academy betrachtete; sie sah, wie seine Männer sich hinter ihm postierten, eindrucksvoll und Furcht einflößend; sie sah, dass jemand hinter Parrish ihm einen Gegenstand in die Hand drückte …
    Und dann hielt er plötzlich eine Pistole in der Hand. Von einem Augenblick auf den anderen hatten sich die Machtverhältnisse umgekehrt.
    »Hände hoch«, befahl er. »Und zwar alle. Rücken zur Wand. Na los.«
    Jim machte einen Schritt vorwärts. Parrish schoss ihm direkt vor die Füße und brachte ihn damit zum Stehen.
    Sarah-Jane glaubte zu träumen. Sie nahm Einzelheiten überdeutlich wahr, wie zum Beispiel das Einschussloch im Teppich oder das Heftpflaster auf Parrishs Kopf … Sie sah senkrecht nach unten, ihr Verstand raste, sie schaute sich hastig um. Ja, da war etwas auf dem Fußboden neben der Schlafzimmertür. Sie hob es auf, ging an das Geländer zurück, lehnte sich vor, zielte und ließ es fallen …
    Das weiße Porzellangefäß zerschellte klirrend, Parrish brach auf der Stelle zusammen. Die Pistole fiel ihm aus der Hand und Jim sprang im gleichen Augenblick auf ihn. Mendel stürzte sich auf die Waffe, doch einer von Parrishs Leuten griff ihn an und schleuderte ihn gegen den Schirmständer. Nun entbrannte auch unter den anderen ein Kampf und im Nu verwandelte sich der Hausflur in ein wüstes Schlachtfeld. Sarah-Jane zog sich entsetzt zurück. Die Brutalität, mit der die Männer aufeinander losgingen … Einer trat seinem Gegner an den Kopf, ein anderer hatte eine Rasierklinge in der Hand … Die Geräusche, die sie machten, das Grunzen und Knirschen, das die Gewalttätigkeiten begleitete, ohne dass auch nur ein einziges Wort gesprochen wurde, so als wären sie Schwerstarbeiter, die einen Felsbrocken zu zerhauen oder Kohlen zu schippen hätten …
    Sie wandte sich zitternd ab und schaute aus dem Fenster. Ein Mann lief die Auffahrt hinunter zum Tor; es war derselbe Dienstbote, der vorhin den Kopf aus der Küche gestreckt hatte. Sollte sie hinter ihm herrufen, ihn aufhalten? Sollte sie Jim Bescheid sagen? Sie wusste es nicht.
    Während sie aus dem Fenster geschaut hatte, war der Kampf zu einem Ende gekommen. Jemand gab einen langen Seufzer von sich und irgendeiner rieb sich geräuschvoll die Hände. Dann ging die Haustür auf, es folgte Fußgetrappel.
    Sarah-Jane schaute wieder über das Treppengeländer. Der Letzte von Parrishs Leuten kroch auf allen vieren nach draußen. Mendel beugte sich über einen seiner Männer, ein anderer saß auf der Treppe und wischte sich die blutende Wange mit einem Taschentuch ab, ein Dritter kämmte sich vor dem Garderobenspiegel.
    Jim stand vor Parrish, der immer noch bewusstlos am Boden lag.
    Am ganzen Körper zitternd, ging Sarah-Jane langsam die Treppe hinunter. Sie hatte ihn umgebracht. Dafür würde sie gehängt werden. Es war das Schlimmste, was sie je getan hatte.
    Jim schaute auf. »Was hast du über ihm fallen lassen?«
    »Einen Nachttopf«, flüsterte sie. »Ist er tot?«
    Jim kicherte. »Tot? Der schnarcht wie ein Baby. Ich wette, der ist noch nie von einem Nachttopf

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