Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod aus dem Norden

Der Tod aus dem Norden

Titel: Der Tod aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
strahlte etwas ab, das ich mit dem Begriff Aura umschreiben könnte. Ein Fluidum der Gewalt, der Vernichtung und des Todes. Es war eine mächtige Gestalt mit einem sehr großen Schädel, auf dem strohblondes Haar in langen, wirren Strähnen wuchs, die an den Seiten des Kopfes flatterten. Der größte Teil des Haares und auch über die Hälfte der hohen Stirn wurden von einem spitzen Helm verdeckt, an dessen Seiten drei Stäbe in die Höhe führten wie dicke Antennen. Unter dem Helmrand zeichnete sich das Gesicht ab.
    Nein, eine Fratze!
    Der wilde Ausdruck darin war einfach nicht zu übersehen. Das Gesicht wirkte gedrungen, die Augen sehr hell, die Nase klein, beinahe schon klumpig. Dafür hatte der Wikinger seinen Mund weit aufgerissen, als wollte er jeden Moment anfangen zu schreien. Der Bart besaß fast die gleiche Farbe wie seine Haare. Dem sonderbaren Leuchtschein war es zu verdanken, daß er so gut zu erkennen war.
    Die Ansätze der breiten Schultern sahen wir auch. Er trug dicke Fellkleidung, zeigte uns seine Waffen allerdings nicht. Trotzdem stuften wir ihn als sehr gefährlich ein.
    »Das ist er! Verdammt, daß ist er!« Braddock war völlig aus dem Häuschen. Er schlich auf mich zu und zitterte.
    Noch immer ›schlief‹ der Wind. Wir kamen uns vor wie auf einer Insel. Da hatte sich eine andere Welt in die normale hineingeschoben. Ich faßte Braddock an. »Sagen Sie, wer ist das? Kennen Sie die verdammte Gestalt?«
    »Ja.« Er nickte heftig. »Es ist Leif, der Grausame. Ein furchtbarer Häuptling, der vor mehr als tausend Jahren hier an den Küsten gewütet hat. Leif war einer der Schlimmsten.«
    »Woher kennen Sie ihn so gut?«
    »Weiß nicht.«
    Ich wußte, daß er log, kümmerte mich jedoch nicht weiter um ihn. Irgendwann würde ich die Wahrheit schon herausbekommen. Nur fragte ich mich nach den Gründen, die Leif dazu bewegten, sich uns so deutlich zu zeigen.
    Braddock nickte. Sein Gesichtsausdruck zeigte Angst. Es kam mir vor, als wüßte Braddock genau Bescheid. »Ich habe es geahnt, ich war mir sicher, es ist eingetreten.«
    »Verdammt noch mal, reden Sie!« fuhr auch Suko ihn an. Da handelte Leif, der Grausame. Er reckte sich, ging noch höher, damit wir mehr von ihm erkennen konnten. Dann hob er den rechten, sehr kräftigen Arm und ballte seine Hand in einer zeitlupenhaft anmutenden Bewegung zur Faust.
    »Ja!« Braddock hatte das Wort gekeucht. »Ja!« wiederholte er noch einmal.
    Ich wußte, daß Leif und er in einem unmittelbaren Zusammenhang standen, vielleicht sogar in einer geistigen Verbindung. »Machen Sie keinen Mist, Braddock! Seien Sie vorsichtig!«
    Er hörte mich nicht. Er ging mit staksig wirkenden Schritten vor. Dabei bekam ich einen trockenen Hals. Wenn er die Richtung beibehielt, mußte er das Schiff irgendwann erreichen.
    Und Leif winkte ihm zu.
    Er hatte Suko bereits passiert, als mir mein Freund leise die Frage stellte: »Willst du ihn lassen?«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Leif, die Puppe! Ich weiß genau Bescheid. Es geht um die Puppe. Ja, deshalb bist zu uns gekommen. Die Puppe, nicht?«
    »John, was meint er damit?«
    Ich hob die Schultern. Für mich waren Braddocks Worte ebenfalls ein Rätsel gewesen. Aber sie hatten uns bewiesen, daß er mehr wußte und seine Familie ebenfalls informiert gewesen sein mußte. Leif, der Grausame, winkte wieder. Braddock wußte, was er zu tun hatte. Und er handelte ohne Vorwarnung.
    Wie ein Sprinter rannte er los. Mit dieser Aktion hatte er selbst Suko und mich überrascht. Braddock wurde zu einem wirbelnden Schatten, der in die klare Luft hineinjagte, als gelte es, einen Rekord zu brechen. Er wollte zu den Wikingern, er mußte hin, er war auf sie fixiert und stand möglicherweise in einer Beziehung zu ihnen. Das alles wirbelte mir durch den Kopf, und auch ich zögerte keine Sekunde länger. Ich jagte hinter ihm her.
    »Bist du wahnsinnig, John?«
    Auf Suko hörte ich nicht. In diesen Augenblicken war mir alles egal. Wenn ich die Chance bekam, das Schiff entern zu können, mußte ich sie nutzen.
    Ich hatte bereits einen ziemlich großen Vorsprung zu Suko bekommen, auch die Distanz zu Braddock verringerte sich.
    Leider würde ich ihn vor Erreichen der Bordwand nicht mehr erwischen können, weil sein Vorsprung einfach zu groß war.
    »Ich komme!« brüllte er wie von Sinnen. »Ja, ich nehme das Erbe an, Leif. Ich werde…«
    Plötzlich tauchten sie auf. So schnell, als hätten sie nur auf dieses Zeichen gewartet.
    Sie schoben sich hinter den

Weitere Kostenlose Bücher