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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Freund
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dass der fast leer war. Bugelnik leuchtete unter den Tisch: In einer Steckerleiste steckten mehrere Stromkabel, aber nur ein Netzgerät war mit einem W-LAN verbunden, die anderen Kabel führten ins Nichts. „Den Laptop hatte er meist hier stehen“, sagte Jasmin, „er wollte Arbeit und Freizeit streng trennen. Er war nicht einer, der seinen Computer durchs ganze Haus schleppte, um ständig online zu sein.“ Wer immer sich hier umgesehen hatte, war wohl noch am ehesten an seinem Laptop interessiert gewesen, die vielen Blätter auf dem Schreibtisch waren, so schien es, unangetastet. Während Bugelnik mit seiner Taschenlampe die anderen Bereiche des Raumes ableuchtete, glaubte Jasmin in ihrem Augenwinkel ein schwaches blaues Licht bemerkt zu haben, das vom Bücherregal kam. „Schalten Sie einmal kurz aus!“, rief sie mit gedämpfter Stimme. Bugelnik gehorchte, als wäre sie eine Kriminalbeamten-Kollegin. „Da, sehen Sie!“ Jasmin zeigte auf das oberste Brett des Bücherregals. Tatsächlich war dort ein winziges blaues Licht zu erkennen. Der Kommissar schaltete die Taschenlampe wieder ein und leuchtete nach oben. Dort standen in einer Reihe Karl-May-Bücher, fein geordnet, „Durch die Wüste“, „Durchs wilde Kurdistan“ waren dabei, ebenso die drei Bände von „Winnetou“. Doch bei einem der Bücher war der Titel nicht ganz leserlich: „Sand des Verd…ens“ stand dort. Wo die vier Buchstaben fehlten, war ein glänzender schwarzer Ring zu sehen, aus dem ein blaues Licht glimmte. Bugelnik schob einen Stuhl heran, stieg hinauf und zog den „Sand des Verderbens“ heraus. Doch in dem Buch waren keine Seiten. Zwischen den beiden Deckeln steckte ein Objekt, das er in dieser Form noch nie gesehen hatte. Es ähnelte am ehesten einer Webcam, es hing auch ein Kabel daran, das hinter das Buchregal führte. Bei genauerem Hinsehen konnte Bugelnik den Schriftzug „Dropcam“ entziffern. Er schob das leere Buch mit dem eigentümlichen Gerät wieder zurück an seinen Platz, notierte sich den Namen in seinem Notizkalender und sprang federnd vom Stuhl. In der schummrigen Beleuchtung des Raumes konnte er Jasmins fragendes Gesicht nicht sehen, aber er hatte sich vorgenommen, ihr so wenig wie möglich von dieser Entdeckung zu erzählen. Noch dazu hatte er ohnehin selbst keine Ahnung, was sich hinter oder in diesem Gerät verbarg. Er hatte ein mulmiges Gefühl – sie waren schon zu lange im Haus, jede Minute könnten die Kollegen – oder Konkurrenten – vom Heeresnachrichtenamt zurückkommen. Und er wollte lieber so tun, als hätte er den Rechtsweg eingehalten und den Tatort nicht betreten. „Wir müssen hier raus“, raunte er Jasmin zu. Sie verließen den Raum, blickten sich bei der Tür noch einmal um und gingen in den Keller. Auf demselben Weg, auf dem sie gekommen waren, schlichen sie sich auch wieder davon. Die größte Schwierigkeit bereitete es ihnen, den Schrank von außen wieder vor den Geheimgang zu schieben. Aber selbst das gelang ihnen einigermaßen.
    Als sie ins Auto einstiegen und wegfuhren, sahen weder der Kriminalinspektor noch Jasmin, dass hinter der Hecke auf der anderen Straßenseite ein Mann stand, sein Handy herausnahm und eine Nummer wählte.
    Von: [email protected]
An: [email protected]
    Der Besuch in Wien erwies sich für David als sehr lehrreich. Sein Großvater hatte nicht nur ein phänomenales Gedächtnis, sein historisches Wissen war genauso einzigartig. Schon beim Frühstück begann er vom Zusammenbruch der Monarchie zu erzählen, das war ihm wichtig, schließlich waren seine Eltern damals aus Lemberg nach Wien gezogen. Und er schilderte präzise und mit vielen Einzelheiten, wie sich die Situation für die Juden danach verschlechtert hatte. „Eines Tages, als Mutter vom Einkaufen zurückkehrte, hatte sie Tränen in den Augen. Wir hatten sie so noch nie erlebt. Vater fragte, was vorgefallen sei. Sie wollte nicht darüber sprechen. Aber Vater ließ nicht locker. Und so erzählte sie, wie sie auf der Straße angepöbelt wurde, wie ihr drei junge Männer den Weg verstellten, ihr den Einkaufskorb entrissen und alles auf den Boden warfen. ,Da, Judensau, klaub’s wieder auf,‘ riefen sie und lachten dabei. Dann nahmen sie das Mehlsäckchen, streuten den Inhalt auf den Gehsteig und zeichneten mit ihren Fingern einen Davidstern hinein. Jedes Mal, wenn Mutter, auf dem Boden kniend, die verstreuten Sachen aufheben wollte, den Laib Brot oder die Kartoffeln, die einzeln herumrollten, jedes Mal

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