Der Tod des Landeshauptmanns
unternehmen. Und die, die an Bord waren, hatte er persönlich ausgewählt.
Die Mahagoni-Tür von Kabine Zwei öffnete sich und heraus trat ein junger Mann: Niko hatte schwarzes, gelocktes Haar, stechende blaue Augen, sein muskulöser, nackter Oberkörper verriet, dass er sich viel Zeit fürs tägliche Fitnessprogramm nahm. Seine Haut schimmerte golden bis zu seinen makellosen Füßen, bekleidet war er nur mit einer engen, weißen, bis knapp über die Knie reichenden Hose. Sein Mund spiegelte ein verschmitztes Lächeln wider, doch bis er die wenigen Stufen in eine Art Wohnzimmer genommen hatte, war es wieder verschwunden.
In der Lounge waren zwei der vier tiefen Ledersessel besetzt, auf dem Tisch standen ein paar Gläser, gefüllt mit hochprozentigen Drinks, die Eiswürfel klirrten bei jedem Aufprallen des Schiffs auf dem Wasser. Die beiden Männer in den Ledersesseln schenkten den Geräuschen keine Aufmerksamkeit. Sie waren intensiv in ihr Gespräch vertieft. Marko Batović war etwa Mitte vierzig, durch sein dunkles, kurz geschnittenes Haar zogen sich Silberfäden, man konnte ihm ansehen, dass er kein Kostverächter war: Das weiße Hemd, das erst ab dem dritten Knopf zugeknöpft war, wodurch ein Teil seiner grau-schwarz behaarten Brust zum Vorschein kam, wölbte sich leicht über dem Hosengürtel. Als Kabinettchef des kroatischen Ministerpräsidenten saß er zwar im Zentrum der Macht, aber das war auch das Problem: Die meiste Zeit verbrachte er im Sitzen, sowohl im Büro als auch bei den vielen offiziellen Essen.
Schräg gegenüber ragte Bogdan Milotović , seit kurzem Chef der kroatischen Reskro-Bank, deutlich über die Sitzgelegenheit hinaus: Er war knapp zwei Meter groß, seine Schuhe ließ er sich in Maßarbeit herstellen, und auch all seine anderen Extremitäten waren seiner Länge angepasst – die Nase zog sich ungewöhnlich lang über sein Gesicht, und wenn er sprach, ruderten seine Arme mit den eleganten, schlanken Fingern, als würde er gerade den Schlussakkord von Mahlers Neunter Symphonie dirigieren. „Und warum nicht Raiffeisen?“, hörte Niko, als er die zwei leeren Gläser ergriff und den Redefluss der beiden mit der Frage unterbrach, ob er ein Abendessen zubereiten solle. „Wo ist denn unser Freund aus Österreich?“, fragte Bogdan Milotović und blickte dabei Niko in die Augen. Niko musste zwar auf die Frage vorbereitet gewesen sein, aber er errötete und wies mit der Hand Richtung Unterdeck. „Er wird wohl noch in seiner Kajüte sein, nehm ich einmal an.“ Die beiden blickten einander vielsagend an, aber keiner wollte das Thema weiter vertiefen. „Ja, bring uns etwas zu essen“, sagte Batović , „aber gleich für drei Personen.“
Kaum war Niko Richtung Bordküche verschwunden, betrat ein strahlend lächelnder, braungebrannter Mann den Raum. Er trug ein blaues Poloshirt, grellgelbe lange Hosen, seine Füße steckten in hellbraunen Rauleder-Mokassins. „Gentlemen, vot a great trip, and a beautiful ship.“ „Mr. Haider, schön, Sie wiederzusehen. Sind Sie auch hungrig? Wir haben gerade das Abendessen bestellt.“ Jörg Haider legte eine Hand auf seinen Bauch und machte eine kreisförmige Bewegung: „Da hat schon was Platz – ich gehe nur noch kurz aufs Deck hinaus.“ Und schon durchquerte er den Raum, nahm zwei Stufen auf einmal und war aus dem Blickfeld seiner Gastgeber verschwunden.
„Worüber haben wir gerade gesprochen?“, fragte Bogdan Milotović und unterbrach sich sofort selbst. „Ach ja, Raiffeisen – ja, warum machen wir das Geschäft nicht mit Raiffeisen?“ Die Frage war nicht unlogisch. Die österreichische Bank mit dem Giebelkreuz als Markenzeichen war schon zehn Jahre auf dem kroatischen Markt tätig, im Kleinkredit-Bereich hatte man sich schon einen so guten Namen gemacht, dass über die Hälfte aller Autokredite in einer der 23 Filialen gebucht wurde. Und auch viele Firmen vertrauten ihr Geld Raiffeisen an. Aber mittlerweile hatte sich die Vier-Länder-Bank als Konkurrentin von Raiffeisen auf der Halbinsel Istrien breitgemacht. Kaum ein Immobilien- oder Grundstücksdeal, der nicht über diese Kärntner Bank lief. Und was die Kroaten besonders zu schätzen wussten: Hinter diesem Institut stand der dynamische, charismatische Kärntner Landeshauptmann. Österreich hatte generell gute Karten auf dem Balkan – schließlich gehörte es zu den ersten Staaten, die nach dem Zerfall Jugoslawiens Kroatien als eigenständigen Staat anerkannt hatten. „Wir werden ja
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