Der Tod des Landeshauptmanns
„denn nach Israel wird er nicht kommen – nein, wenn, dann müssen wir den Fall in Österreich erledigen.“
Kriminalinspektor Franz Bugelnik saß in seinem Büro, hatte die Türe hinter sich ins Schloss fallen lassen und dachte nach. So etwas hatte er noch nie erlebt: Nicht nur, dass er einen Toten wohl anhand der Papiere, die in seinem Sakko steckten, falsch identifiziert hatte – an einen derartigen Fall konnte er sich in seiner 33-jährigen Laufbahn nicht erinnern –, schlimmer noch war, dass eine andere Behörde sozusagen das Kommando übernommen hatte. Natürlich hatte er immer wieder mit dem Heeresnachrichtendienst zu tun gehabt, aber nur in den seltensten Fällen ging es dabei um Mord. Einmal, fiel ihm jetzt wieder ein, war er zu einem Tatort gerufen worden, der schon allein durch seine Lokalität ungewöhnlich war: Es war das Schloss Frauenstein in der Nähe von St. Veit. Er kannte es von einigen Ausflügen, er hatte auch immer wieder Freunde und Verwandte dorthin geführt, weil es zu den schönsten spätgotischen Bauten in Kärnten gehörte. Als er mit seinem Dienstfahrzeug vor dem Schloss ankam, sah er zu seiner Verwunderung zwei oder drei grau-grüne Volkswagen-Käfer stehen, die ein „BH“ als Kennzeichen trugen. In einem der runden Erker, von denen es vier gab und die auch durch ihre spitzen Runddächer auffielen, lag die Leiche eines Heeresangehörigen. Auf den ersten Blick sah der Fall nach einem Selbstmord aus: Der Mann hatte die Pistole in seiner rechten Hand, der Schuss war direkt durch den Schädel gegangen. Erst später, bei den genaueren kriminaltechnischen Untersuchungen, stellte sich heraus, dass auf seiner Hand keine Schmauchspuren zu entdecken waren. Damit war eindeutig belegt, dass dem Mann die Waffe erst nach der Tat in die Hand gelegt worden war. Auch wenn man ihm die Nachforschungen nicht ganz entzogen hatte, spürte er doch, dass das HNA kein Interesse daran hatte, seine Erkenntnisse mit dem Landeskriminalamt zu teilen. Am Ende hatte sich dann herausgestellt, dass der Mann für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen war. DNA-Untersuchungen hatten auch ergeben, dass der Täter aus einem südeuropäischen Land stammen musste.
Aber, so ging es Bugelnik jetzt durch den Kopf, das war damals etwas ganz anderes: Immerhin handelte es sich um einen Heeresangehörigen, der sich auf krumme Angelegenheiten eingelassen hatte. Doch bei Stefan Stragger hatte er nicht den geringsten Verdacht, abgesehen davon, dass dieser ja nicht einmal der Tote war. Bugelnik nahm den Telefonhörer zur Hand und wählte eine Nummer. Es läutete vier Mal, er wollte schon wieder auflegen, da meldete sich eine Stimme: „Oberst Kropfitsch, mit wem spreche ich?“ „Georg, hier ist der Franz – hast du eine Minute für mich?“ „Schön, wieder einmal von dir zu hören, was kann ich tun?“ Franz kannte Georg Kropfitsch schon aus seiner Jugendzeit. Sie waren im Gymnasium in dieselbe Klasse gegangen, nach der Matura hatten sich beide bei SKF in Schweden für Sommerjobs beworben und waren auch gemeinsam im Renault 4 von Kropfitsch nach Göteborg gefahren. Vier Sommer verbrachten sie in Skandinavien, sie hatten viele ähnliche Interessen, auch wenn sich der eine für Graz, der andere für Wien als Studienort entschieden hatte.
„Ich komme gerade vom Stefan Stragger, oder besser: von seinem Haus …“ Und Bugelnik erzählte ihm, was sich in den vergangenen Stunden abgespielt hatte. Vom ersten Anruf der Nachbarin, die den laufenden Motor in der geschlossenen Garage gemeldet hatte, von den begonnenen Erhebungen und dem überraschenden erzwungenen Ende des Einsatzes durch die Truppe des Heeresnachrichtenamtes. Bugelnik erzählte auch, dass das Haus nun versiegelt war – nur dass er und Jasmin Köpperl sich durch einen Geheimgang Zugang ins Haus verschafft hatten, wollte er nicht gleich preisgeben. Und schon gar nicht, dass die Leiche eben nicht Stefan Stragger war, sondern dessen Bruder, der noch dazu eines natürlichen Todes gestorben war. Als Bugelnik mit seinen Erläuterungen am Ende war, entstand eine Pause – „Georg, bis du noch dran?“ „Äh, ja, natürlich, ich habe dir zugehört, aber, äh, ich kann dir im Moment nicht sagen … weißt du, bei aller Freundschaft … aber, äh, ich ruf dich zurück …“ Bugelnik blickte auf den Hörer, Georg hatte aufgelegt, einfach so, ohne sich richtig zu verabschieden.
Bugelnik nahm seinen Notizkalender zur Hand und schlug die Seite auf, auf der er
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