Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Freund
Vom Netzwerk:
waren, sog sie die Luft durch die Nase ein: Irgendwie kam ihr der Geruch bekannt vor. Sie wusste, dass sich der Mensch nicht nur optisch und akustisch, sondern auch olfaktorisch an Dinge erinnern kann, die schon lange zurückliegen. Immer wenn sie die Volksschule besuchte – ohnehin nur, weil dort eine ihrer besten Freundinnen als Lehrerin tätig war –, holte sie ihre Vergangenheit ein, nur über den Geruch. Vor ihren Augen erschien dann das Bild, wie sie in der Früh die Straßenschuhe vor der Klassentüre auszog, sie sah sich in der ersten Reihe sitzen, in allen vier Klassen durfte sie immer ganz vorne Platz nehmen, sie erinnerte sich, wie sie auf dem Flur spielten, wenn es draußen regnete oder zu kalt war … Aber sie wusste natürlich, dort konnte sie auch sehen und – was weniger zählte – auch hören. Dennoch war sie jetzt sicher, dass sie an diesem Ort schon mehrmals gewesen sein musste. Doch die beiden Männer ließen ihr keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie drückten sie auf einen Stuhl, banden ihre Beine daran fest, rissen ihr das Klebeband vom Mund und von den Augen und machten sich gleich darauf aus dem Staub, ohne ein Wort zu sagen. Jasmin atmete tief ein, einmal, zweimal, danach hatte sie das Gefühl, dass sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. Was wollen die Männer von mir?, dachte sie. Es muss etwas mit Stefan zu tun haben, es kann ja wohl kein Zufall sein, dass er unter mysteriösen Umständen verschwindet und ich danach entführt werde. Ob mich jemand beobachtet hat, als ich mit Bugelnik in Stefans Haus war? Von außen konnte man kaum hineinsehen, vielleicht wartete draußen jemand und sah, wie wir ins Auto stiegen? Bugelnik. Der Kriminalinspektor. Wird er nach mir suchen? Wie soll er, er weiß ja gar nicht, dass ich verschwunden bin. Das kann noch Tage dauern. Erst wenn die Redaktion misstrauisch wird, dass ich ohne abzusagen einfach nicht auftauche – dann vielleicht.
    Jasmin war auf dem Stuhl eingenickt, als sie polternde Schritte hörte. Die Tür öffnete sich und sie sah trotz der Dunkelheit zwei Männer auf sich zukommen. Beide trugen Kapuzen über dem Kopf, die zwei Schlitze für die Augen und einer für den Mund ließen nichts von der Physiognomie durchscheinen. Einer der beiden stellte sich direkt vor sie hin und herrschte sie an: „Wo ist Stefan Stragger?“ Seine Stimmlage war tief, aber er sprach, oder schrie, so laut, dass Jasmin zusammenzuckte. „Ich …, ich …, ich habe keine Ahnung.“ Kaum hatte sie das letzte Wort herausgebracht, holte der Mann mit seinem linken Arm aus und knallte seinen Handrücken direkt in ihr Gesicht. Jasmin spürte den Schmerz und gleich danach fühlte sie, wie eine warme Flüssigkeit über ihre Wange rann. Der Mann hatte sie mit seinem scharfkantigen Ring verletzt. Sie blutete. „Wo … ist … Stefan … Stragger?“, brüllte er sie nochmals an. Jasmin blickte kurz hoch, sah den zweiten Mann beim verhängten Fenster stehen und antwortete mit schluchzender Stimme: „Glauben Sie mir, ich weiß es wirklich nicht.“ Und wieder schlug der Mann auf sie ein, diesmal noch kräftiger. Sie fiel mit dem Stuhl, an dem sie festgezurrt war, nach hinten, schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf und verlor das Bewusstsein.
    Das Telefon läutete. Franz Bugelnik nahm den Hörer ab. „Franz, bist du’s?“ Bugelnik erkannte am Tonfall Georg Kropfitsch, seinen alten Freund vom Heeresnachrichtenamt. „Franz, ich wollte dir nur sagen, ich habe mich erkundigt, es ist alles ok.“ Seine Leute seien im Haus von Stefan Stragger gewesen, schließlich sei Stefan ein wichtiger Mitarbeiter des HNA und da könne man nie wissen, wer und was dahinterstecke, wenn so jemand plötzlich Selbstmord begehe. Bugelnik horchte auf – es erschien ihm einigermaßen unglaubwürdig, dass Kropfitsch nicht wusste, dass der Mann, den sie im Auto gefunden hatten, nicht Stefan Stragger war. „Wir sind alle völlig schockiert. Gestern war er noch bei mir im Büro, wir haben über die Arbeit gesprochen und er machte keineswegs den Eindruck, dass er mit seinem Leben Schluss machen würde.“ Bugelnik überlegte kurz: Sollte er ihm sagen, dass der Tote nicht Stefan war? Doch nachdem Kropfitsch nicht mit der ganzen Wahrheit herausrückte, sah auch der Kriminalinspektor keinen Grund – Freundschaft hin oder her –, zu verraten, was er in Erfahrung gebracht hatte. Noch dazu mit Hilfe einer Zivilperson, schlimmer noch: mit Hilfe einer Journalistin. „Dürfen wir wieder hinein

Weitere Kostenlose Bücher