Der Tod des Landeshauptmanns
eingenommen: Beim Empfang einiger ausländischer Diplomaten (Israel hatte lange gezögert, ob es der Einladung überhaupt folgen sollte) erwies sich Haider als geradezu staatsmännisch, aber auch humorvoll, und er erkundigte sich mit echtem und nicht gespieltem Interesse (so hatte es Avner in Erinnerung) nach den ganz konkreten Problemen Israels. Avner war erstaunt, wie gut ein österreichischer Landeshauptmann über die Details der israelischen Innen- und Außenpolitik informiert war – und doch machte ihn das irgendwie misstrauisch. Sie hatten damals vereinbart, sie würden sich bei einem der kommenden Wien-Besuche Haiders zu einem Mittagessen treffen, aber Avner Fohlt war dann relativ kurzfristig in die Heimat zurückberufen worden und so kam diese Begegnung nie zustande.
„Avner!“ Rachel Hagev riss ihn aus seinen Gedanken. Er hatte nicht wirklich zugehört und jetzt sollte er seine Meinung äußern, doch er wusste nicht, wo die anderen stehengeblieben waren. „Wie siehst du das, was haben Haider, Saddam Hussein und der Vlaams Blok miteinander zu tun?“ Er war dankbar, dass ihm Rachel das Stichwort lieferte. Rachel Hagev war beim Mossad tätig, dem israelischen Geheimdienst, von dem viele behaupten, er sei der beste der Welt. Und er hatte das immer wieder bewiesen.
Als palästinensische Terroristen im Sommer 1972 die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München angriffen und am Ende elf Sportler ums Leben kamen, wurde der Mossad auf die Hintermänner angesetzt. In Rom wurde daraufhin ein Mitarbeiter der libyschen Botschaft erschossen, die Täter blieben unerkannt. In Paris traf es Dr. Mahmoud Hamshari, den Führer des „Schwarzen September“ in Europa. Sein Telefon wurde so präpariert, dass es in seiner Hand explodierte und ihn tötete. Ungeklärte Morde auf Zypern und in Athen folgten. Alle trugen die Handschrift des Mossad, und die bestand nicht zuletzt darin, dass man dem Geheimdienst nichts nachweisen konnte.
Avner Fohlt wusste, dass er nicht mit irgendwelchen vagen Behauptungen auftreten durfte: „Dass Haider besondere Fähigkeiten besitzt, weiß man schon lange. Hier …“ und er griff in seine Aktenmappe und zog einen Zeitungsartikel hervor, „sogar die ,New York Times‘ hob ihn schon im Oktober 1995 als künftigen Führer der europäischen Rechten hervor: ,Neonazis vernetzen sich mit Hilfe des Internet und im Untergrund‘ heißt es hier, und etwas weiter unten steht: ,Sie wollen ihre Ideen unter einer jungen Subkultur in der Hoffnung verbreiten, dass ein Führer diese aufgreift … wie etwa der charismatische österreichische Rechts-Außen Jörg Haider.‘ Außerdem hat unser Mittelsmann berichtet, dass es vor kurzem ein Geheimtreffen mit Vertretern der Lega Nord und des Vlaams Blok gegeben hat, und zwar in Kärnten, also in dem Bundesland, das Haider völlig in seiner Hand hat. Und derselbe Haider fährt jetzt in den Irak und überredet Saddam, dass er ihm Geld gibt, viel Geld. Und damit ist er in der Lage, seine Beziehungen zu den anderen rechten Parteien in Europa auszubauen. Abgesehen davon, dass er ohnehin zu den ganz Reichen des Landes gehört.“
Alle drei Anwesenden wussten, worauf Fohlt anspielte. Jörg Haider hatte ein riesiges Stück Land von einem Südtiroler Wahlonkel geerbt, der es wiederum einem italienischen Juden um einen Pappenstiel abgekauft hatte. Auch das hatte Kontroversen ausgelöst, aber wie so vieles, das mit den Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zu tun hatte, blieb es in Österreich ein Randthema. Avner Fohlt hatte keinen Zweifel daran und sagte nun auch laut, dass Haider die ideale Figur war, um die rechten Parteien in Europa zusammenzuführen – er hatte Charisma, er war ein politisches Tier, jung, oder jedenfalls nicht zu alt, und vor allem kein Schreckgespenst. Die zunehmende Immigration aus dem ehemaligen Jugoslawien hatte Ressentiments gegen Ausländer geschürt und damit der Rechten ungeahnten Zulauf verschafft. „Haider“, und Fohlt blickte den gegenüber sitzenden Kollegen bzw. die Kollegin intensiv an, „ist genau der moderne Typ eines Rechtspopulisten, der hinter der Maske eines freundlichen Durchschnittspolitikers ganz andere Ziele verfolgt.“
„Und was sollen wir jetzt tun?“, fragte Yossi Galem. Sie waren hier zusammengekommen, weil es von ganz oben den Befehl gegeben hatte, Pläne für die „Lösung des Problems“ auszuarbeiten und dann vorzulegen. „Hier bei uns sind uns die Hände gebunden“, antwortete Rachel Hagev,
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