Die Krankenschwester
Von einem Augenblick zum anderen veränderte sich Mitchell Cramers Gesichtsfarbe. Der Teint des Zuchthausdirektors war nie besonders rosig gewesen, aber diese überfallartige Totenblässe konnte keinen natürlichen Ursprung haben.
Das wußte auch Cramer selbst, der sich plötzlich fühlte, als wäre er von zahlreichen Messern durchbohrt worden, die man von vier verschiedenen Seiten in seinen Körper gerammt hatte.
Er riß den Mund auf.
Er wollte schreien, das half immer irgendwie. Außerdem würde er seine Sekretärin im Vorzimmer alarmieren, denn er fühlte sich zu schwach, um die Telefonanlage in Betrieb zu setzen.
Cramer schrie nicht!
Die Schmerzen waren so stark, daß sie seine Kehle und auch den Hals völlig verstopften. Er saß auf dem Stuhl, hielt die Hände gegen den Magen gepreßt und spürte den Schweiß, der in Strömen aus seinen Poren schoß.
Wie eine Figur saß er auf dem Stuhl. Den steifen Oberkörper nach vorn gedrückt. Die Luft noch immer anhaltend, denn auch das Atmen fiel ihm schwer.
In seinem Leib wühlte, kratzte und tobte es. Die Messer schienen sich in Rührwerkzeuge verwandelt zu haben, die sich pausenlos drehten.
Der Druck hinter seinen Augen war so stark geworden, als sollten sie aus den Höhlen gedrängt werden. Aus dem offenen Mund sickerte Speichel. Er fand den Weg über das Kinn des Mannes und tropfte schließlich auf das linke Hosenbein.
Dann ebbten die Schmerzen ab.
Cramer holte wieder Luft.
Im nächsten Augenblick erwischte es ihn erneut. Da raste die nächste Glutwelle durch seinen Körper, schoß hoch bis zur Kehle und erreichte den offenen Mund.
Eine dicke Flüssigkeit füllte ihn, die genau in dem Augenblick hervorbrach, als der Oberkörper des Mannes nach vorn kippte.
Der Blutstrahl fegte aus dem Mund des Mannes und klatschte als rote Lache auf den Schreibtisch.
Das passierte in der Sekunde, als die Sekretärin die Tür zum Chefbüro öffnete…
***
Elfie Gazzow kicherte, als ihr die Wärterin die aufgeschlossene Tür aufhielt. »Los, geh schon hinein!«
»Nein.« Die Gefangene blieb stehen.
»Soll ich Verstärkung holen?«
»Das brauchen Sie nicht, Mutter Teresa«, erwiderte Elfie kichernd und amüsierte sich über den roten Kopf der Wärterin, die sehr genau wußte, daß sie den Namen nicht mochte. Damit konnte man sie wild machen, aber das hatte Elfie nicht vor, denn sie sagte nur: »Ich bin nicht mehr lange genug hier, um Verstärkung zu benötigen.«
»Die brauchst auch nicht du, sondern ich.«
»Auch nicht mehr.«
»Um so besser!« Die Wärterin schaute die Gefangene scharf an. »Was soll das heißen, daß du nicht mehr lange genug hier bist? Wirst du verlegt? Meinetwegen…«
»Nein, das nicht. Ich komme frei.«
Mutter Teresa wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Was hast du da gesagt? Du kommst frei? Du, die Krankenschwester, die zugleich eine dreifache Mörderin ist?«
Elfie reckte ihr Kinn vor. »Ich habe kein Geständnis abgelegt.«
»Du bist es trotzdem.«
Elfie Gazzow hob die Schultern. »Wie du meinst, Mutter Teresa.« Dann hob sie den rechten Zeigefinger an und wirkte jetzt wie eine Lehrerin.
»Aber du wirst erleben, daß man mich noch braucht. Sehr sogar, das garantiere ich dir.«
Die Wärterin hatte keine Lust mehr, mit dieser Person zu diskutieren. Sie mochte Elfie nicht, denn sie hatte bei ihr immer den Eindruck, daß ihr diese Person überlegen war. »Geh jetzt in die Zelle und halte Ruhe.«
»Gern.« Elfie spitzte die Lippen wie jemand, der einer anderen Person eine Kußhand zuwirft. Dann trat sie über die Schwelle, drehte sich aber nicht um und schreckte auch nicht zusammen, als hinter ihr die Tür mit einem lauten Geräusch zufiel.
Sie wußte genau, daß sie noch beobachtet wurde. Betont langsam drehte sie sich um und öffnete dabei ihren verschlissenen Bademantel, unter dem sie nackt war. So blieb sie gegenüber der Tür stehen, legte beide Hände unter ihre großen Brüste, präsentierte sie regelrecht, um sie dann schaukeln zu lassen. Sie wußte, daß die Wärterin darauf abfuhr. Zugeben würde sie es jedoch nicht. Sie war eine heimliche Beobachterin, die die eingesperrten Frauen lieber aus einem Versteck hervor beim Duschen betrachtete. Elfie gönnte ihr noch etwa fünf Sekunden den Anblick ihres Körpers, dann drehte sie sich wieder um.
Die Wärterin würde davon träumen, mit der Gefangenen eine Nacht in der Zelle zu verbringen, allein, um dort die Freuden einer exklusiven Liebe zu erleben.
»Fuck me«,
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