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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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blauen Polohemdes.
    »Weiß der Teufel, was Vimmy und Hansi haben«, murmelte er. »Sie sind wie verstört; man kriegt sie kaum zu Gesicht. Und wenn, dann redet man an ihnen vorbei wie an Wachsfiguren. Und mit Sofie ist es genau das gleiche. Drei spinnende Weiber im Haus, das ist zuviel!«Ich wollte ihm gerade über den Mund fahren, daß er sich in seinen burschikosen Ausdrücken ein wenig mäßigen sollte, als seine nächsten Worte mich aufhorchen ließen.
    »Ich möchte wetten, daß dieser Mord im >Botenwirt< sie so durcheinanderbringt. Aber man kriegt ja nichts aus ihnen heraus, und wenn man ihnen dann auf die Zehen tritt, dann fangen sie zu heulen an. Es ist einfach zum Kotzen!«
    Er sah mein leicht erstauntes Gesicht und grinste flüchtig: »Aha, der Mord im >Botenwirt<, da wirst du wach, wie?«
    Der »Botenwirt« war das größere von den beiden Achenreuther Wirtshäusern, das andere hieß »Zur Traube«. Im »Botenwirt« hatten in früheren Zeiten die Fuhrknechte Station gemacht, die sechsspännig in schweren Planwagen das Salz aus den Reichenhaller Salinen zu den großen Märkten brachten, und solch einen Planwagen mit sechs schweren Rössern davor zeigte auch das Wirtshausschild. Ich hatte mit Textor oder mit dem Achenreuther Bürgermeister Voggenreiter und mit dem Gendarmerieoberwachtmeister Veitl beim Tarock manche Halbe auf der Bank am grünen Kachelofen geleert. Davon, daß im »Botenwirt« ein Mord passiert sein sollte, hatte ich keine Ahnung.
    »Das versteh’ ich nicht, Onkel Paul, die Geschichte ist doch lang und breit durch die Zeitungen geschleift worden. Woher beziehst du eigentlich deine Stoffe?«
    »Nicht aus Zeitungen, mein Herzchen«, knurrte ich. »Ich erfinde meine Morde selber. Auf diese Weise bekommt die Schachpartie keine unvorhergesehenen Züge. Aber los, nun erzähle schon! Was ist geschehen? Wer ist ermordet worden?«
    Er blinzelte mich an und machte mit Zeige- und Mittelfinger eine scherende Bewegung: »Ein kleines Stäbchen, Onkel Paul...?«
    »Du rauchst mir zu viel, Bürschchen!« sagte ich streng, aber ich zog die Zigaretten aus der Tasche und schnippte ihm eine hinüber. Er bot mir Feuer an.
    »Zweimal haben wir die Kriminalpolizei im Hause gehabt!« Er spuckte eine Tabakfaser von den Lippen und blies dabei den Rauch in kleinen Wölkchen aus dem Mund.
    »Zum Teufel, was habt ihr mit der Kriminalpolizei zu tun?« fragte ich nicht wenig überrascht.
    »Er war doch ein paar Stunden, bevor er ermordet wurde, hier bei uns im Hause...«
    »Wer?« Seine Art, die Dinge darzustellen, war nervtötend.
    »Er hieß Manueli...«
    »War er Sammler oder Händler? Ein Ausländer, wie?«
    »Ich habe keine Ahnung. Soviel ich weiß, hat er uns zum erstenmal besucht. Jedenfalls war mir sein Name völlig fremd. Manuel Manueli...«
    »Manuel Manueli? Das klingt ja direkt nach Zirkus.«
    »Nicht schlecht geraten. Vielleicht hat er sogar mal im Zirkus gearbeitet. Er war nämlich Zauberkünstler. Tatsächlich. Das stand in der Zeitung. Und er scheint als Artist eine ziemlich große Nummer gewesen zu sein.«
    »Ich habe seinen Namen nie gehört.«
    »Er scheint auch mehr im Ausland als in Deutschland aufgetreten zu sein. London, New York, Paris, Wien...«
    »Schön, schön, aber was suchte er bei euch?«
    »Porzellan, glaube ich, aber hat nichts gekauft. Vielleicht war es ihm zu teuer. Aber wenn du mehr wissen willst, mußt du schon Vimmy fragen — falls sie sich sehen läßt...«
    Vimmy wurde Victoria Textor von den Kindern genannt. Wahrscheinlich war es ein Wort aus jenen Tagen, als sie sprechen lernten und aus Vicky und Mammi einen eigenen Laut bildeten. Irgend etwas in Alexanders Verhalten gefiel mir nicht. Der Mord an dem Artisten und das Erscheinen der Kriminalpolizei im Hause seiner Eltern schien ihm näherzugehen als das Schicksal seines Vaters.
    »Man kriegt aus den Weibern nichts heraus«, knurrte er unlustig.
    Ich hob den Kopf und sah ihn scharf an.
    »Nun ja«, murmelte er und errötete flüchtig, »ich meine Hansi und Sofie. Es muß da irgend etwas gegeben haben...«
    »Was und zwischen wem?«
    Er feuerte seinen Zigarettenstummel auf den Kies und zertrat die Glut, indem er den Absatz heftig in den Boden bohrte: »Ich weiß es nicht. Ich bin erst seit zwei Tagen hier, und ich habe in diesen zwei Tagen Vimmy und Hansi und auch Sofie kaum gesehen. Sie sitzen in ihren Zimmern und heulen. Jedenfalls haben sie Gesichter, als ob sie den ganzen Tag heulen, verschwollen, und das ganze Haus stinkt

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