Der Tod des Zauberers
mochte, sehr tief in den Geldbeutel zu greifen, war die Tatsache, daß er zugleich mit Pertach und dem Georgischlößl sozusagen ein eigenes Hausgespenst erwarb. Der letzte Perting war nämlich in diesem Hause ermordet worden, von einem eifersüchtigen Bauernburschen, dem er sein Mädchen aus einer alten Feudaltradition heraus kurz vor der Hochzeit entführt hatte; ein Brauch, der im siebzehnten Jahrhundert nicht mehr üblich war und, wenn er doch fortgesetzt wurde, Unannehmlichkeiten und Verwicklungen nach sich zog. Seitdem ging der letzte derer von Perting im Hause um. Jedenfalls behaupteten das die Bauern; und wenn die Pfarrherren von Achenreuth auch beharrlich schwiegen, so konnten sie doch nicht abstreiten, daß das Haus von Zeit zu Zeit durch herbeigerufene Dominikanerpatres exorziert worden war. Und natürlich behauptete es Stephan Textor, der dem Gespenst, das sich im übrigen durchaus manierlich betrug, öfter begegnet sein wollte: einem sehr bleichen jungen Mann in dem schwarzen Gewand seiner Zeit, der sich nächtlicherweise durch die Räume bewegte, in das erste Zimmer rechter Hand neben der Haustür eintrat, in dem sich einst die Hauskapelle befunden hatte, langsam und lautlos durch den Raum schwebte, vor der alten Altarnische niederkniete, einen lauten Seufzer ausstieß und sich in nichts auflöste. Nun ja, man konnte ja auch schließlich von einem Gespenst keine roten Wangen und Juhuschreie verlangen.
Ich persönlich hatte auf meinen dringenden Wunsch, den mir Stephan Textor nur zögernd erfüllte, wochenlang in dem Zimmer übernachtet, ohne daß mir der Geist des jungen Grafen Perting jemals begegnet wäre. Aber ich unterließ es, die Existenz des Gespenstes zu bezweifeln, auf das Textor mindestens ebenso stolz war wie die Hohenzollern auf ihre Weiße Dame. Übrigens führte Textor mein Versagen als Geisterseher darauf zurück, daß ich mich bei meinen Besuchen auf Pertach allzu stark mit seinen Spätlesen beschäftigte. Er hatte einen Ruppertsberger Reiterpfad im Keller, der einfach unwiderstehlich war.
Daß die Inneneinrichtung des Hauses einer musealen Sammlung kostbarster Stücke ähnelte, habe ich bereits erwähnt, als ich von den Textorschen Teegesellschaften sprach. Die Textors bewegten sich inmitten der Roentgenmöbel, Renaissanceschränke, Barockkommoden, altfranzösischen Gobelins und Vitrinen voller Kostbarkeiten, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, auf einem Schreibtisch Schularbeiten zu machen oder Geschäftsbriefe zu tippen, den David Roentgen Katharina II. für den unerhörten Preis von 25 000 Rubel angefertigt hatte. Die Expertise für die absolute Echtheit des Möbels lag in der linken Schublade des Prunkstücks, das mit seinen tief geschwungenen Zargen, reichen Bronzeappliken und vollendet schönen Marketerien in Nußbaum, Ahorn und Ebenholz einen Wert darstellte, der in Zahlen ausgedrückt ziemlich atemraubend war. Auf diese museale Art waren sämtliche vierzehn Räume des Georgischlößls möbliert, auch die Fremdenzimmer, nur daß die Familie und die Gäste glücklicherweise in durchaus modernen Betten schlafen durften. Nur Textor selber nächtigte in einem Prunkbett, in dem die Gräfin Dubarry ihre heiteren und frommen Nächte verbracht hatte. Allerdings waren die Originalmatratzen durch moderne Roßhaarpolster ersetzt worden.
Das Zimmer von Vicky Textor befand sich im ersten Stockwerk des Hauses. Aus dem großen Fenster, das Textors Vorgänger auf Pertach aus der Mauer gebrochen hatte, weil er diesen Raum wahrscheinlich als Atelier benutzt hatte, genoß man den prächtigsten Blick auf den kleinen Pertensee und auf die Berge, die sich bei dem leichten Föhn, der an diesem Tag herrschte, dunkel übertuscht höher in den Himmel und näher an Pertach heranschoben. Als alter Freund des Hauses ersparte ich mir die Anmeldung durch Sofie, und außerdem wollte ich auch keine Absage riskieren, nachdem Alexander mir gesagt hatte, daß seine Mutter sich in den letzten Tagen schneckenhaft zurückgezogen habe. Ich klopfte an die Tür, nannte meinen Namen und hörte nach einer kleinen Weile eine zögernd klingende Aufforderung, einzutreten.
Victoria Textor war vor kurzem dreiundvierzig Jahre alt geworden, eine bezaubernde Frau, der die Jahre nichts anhaben konnten, obwohl sie genauso alt aussah, wie sie war. Das hübscheste Kompliment hatte ihr Stephan Textor einmal in meiner Gegenwart gemacht, als er sagte, er hoffe uralt zu werden, um mit der reizendsten alten Dame
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