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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Dinge, an denen sie niemand »herumgrabbeln« ließ. Ich nickte ihr zu und bat sie, sich von mir nicht aufhalten zu lassen, und sie machte sich eilig wieder an ihre Arbeit, sichtbar froh, von einem weiteren Gespräch und von Fragen verschont zu bleiben, die sie wahrscheinlich befürchtet hatte. In der Haustür stieß ich mit Hansi zusammen, die in einem sehr sparsamen weißen Bikini gerade ins Wasser springen wollte. Ihr erschreckter Blick galt nicht mir, sondern sich selbst.
    »He, was ist los?«
    »Ph...«, stieß sie hervor, »ich dachte schon, ich hätte nichts an. Ein reiner Zufall, daß ich das Ding angezogen habe, weil ich probieren wollte, ob er mir heuer noch paßt.«
    »Ich habe das Gefühl, in deinem Alter sollte man auch in Pertach immer auf Überraschungen gefaßt sein. Ihr lebt hier schließlich nicht auf einer einsamen Südseeinsel.«
    »Fein, daß du gekommen bist, Onkel Paul — auch wenn du predigst. Noch gestern abend hat Sofie gesagt, es würde Besuch kommen — übern kurzen Weg, und da habe ich gleich an dich gedacht.«
    »Ich habe mein Badezeug mitgebracht. Warte noch eine Viertelstunde, bis die Sonne den Nebel vollends geschluckt hat, und dann machen wir miteinander den großen Schwumm, ja?« Der »kleine Schwumm« ging einmal quer über den See und zurück, der große rund herum.
    »Aber gern! Dann ziehe ich aber so lange den Bademantel an.« Sie lief in ihr Zimmer hinauf und kam bald in einem weichen, rostroten Flauschmantel zurück. »Soll ich uns derweil einen Kaffee kochen? Sofie ist in der Waschküche.«
    »Ich habe sie schon begrüßt. Und den Kaffee könnte ich gut vertragen. Auch ein Butterbrot. Deine Mutter ist nach Altenbruck gefahren?«
    »Nicht nach Altenbruck, ein Stück darüber hinaus nach Man-zing. Dort ist der Zwinger, in dem eine Schwester von unserem Arco einen Wurf Junge hat.«
    »Na endlich!« rief ich. »Ihr habt lange genug getrauert.«
    »Du tust, als ob sich Arco ersetzen ließe.«
    »Jeder Hund läßt sich ersetzen, warte nur ab, bis der Kleine da ist.« Arco, ein irischer Setter mit edlem Stammbaum und besseren als menschlichen Eigenschaften, war den Textors vor einem halben Jahr an der Hundeseuche qualvoll eingegangen, ein Verlust, den besonders Alex und Hansi nicht verwinden konnten. Während Hansi Wasser aufsetzte, Brot schnitt und es mit Butter und frischem Honig bestrich, machte ich es mir am Küchentisch auf einem Schemel bequem und genoß es, mich bedienen und verwöhnen zu lassen.
    »Also, Alex hat die Schule jetzt hinter sich. Gestern kam das Entlassungszeugnis. Er hat es mächtig eilig gehabt, findest du nicht?«
    »Ich hoffe, daß er es nie bereuen wird. Ich war in seinem Alter auch nicht gerade schulbegeistert, aber dann war es mein Vater, der mich zu Abitur und Studium zwang. Heute bin ich ihm dankbar. Will Alex ins Ausland gehen?«
    »Sicherlich will er. Er möchte nach London zu Armstrong gehen und löchert mich seit Tagen, ihm sein wirklich grauenhaftes Englisch aufzubürsten. Aber Vimmy sträubt sich dagegen und will ihn nicht fortlassen.«
    »Das ist verständlich, schließlich braucht das Haus einen männlichen Schutz.«
    »Bababa«, machte sie. »Sofie ist so viel wert wie zwei Mannsbilder!« Auch das war fraglos richtig. Bei dem einzigen Einbruchsversuch vor einigen Jahren hatte Sofie den Einbrecher gestellt und mit einem Schürhaken so übel zugerichtet, daß der Bursche von den sechs Monaten, die ihm das Gericht aufgebrummt hatte, vier im Gefängnisspital verbringen mußte.
    Das Wasser im Topf begann zu summen, Hansi stellte die Tassen auf den Tisch und löffelte den Kaffee in den Filter; sie kannte meine Schwäche für guten Kaffee und sparte nicht. Ich schaute ihren hausfraulichen Verrichtungen mit dem Behagen des Junggesellen zu, der seinen Morgenimbiß in einer zumeist unaufgeräumten Küche mit verdrossenem Gesicht selber zubereiten muß. Mit ihrer tiefgebräunten Haut und der Kette von schimmernden Kaurimuscheln, die sie um den schlanken Hals trug, sah sie wie eine reizende Insulanerin der Südsee aus und bewegte sich auch mit der natürlichen Anmut dieser holden Geschöpfe. Sie machte übrigens einen gelösteren und innerlich freieren Eindruck als bei meinem letzten Besuch auf Pertach, aber ich spürte doch eine nervöse Bereitschaft, sich wie eine Schnecke beim geringsten äußeren Anlaß augenblicks in ihr Häuschen zurückzuziehen. Es war mir sehr unangenehm, die Wellen, die sich gerade beruhigt hatten, wieder aufwühlen zu müssen,

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