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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Feuern erprobte Phantasie zur Hilfe!«
    »Lassen Sie mich aus dem Spiel, Wildermuth! Ich habe meine Phantasie bereits erschöpft, und es ist übelstes Vorstadtkino dabei herausgekommen. Strengen Sie sich allein und ohne mich an.«
    Er blinzelte mich aus seinen braunen, goldgesprenkelten Froschaugen an, und ich wußte, daß ich mich verraten hatte — daß ich mit dem Eingeständnis meiner Bemühungen um die Lösung des Rätsels wenn auch nicht an die Schuld, so doch an eine Verstrickung Victoria Textors in den Fall Manueli glaubte.
    »Fahren Sie demnächst wieder einmal nach Pertach hinaus?« fragte er nach einer Weile.
    »Ich nehme an, daß ich noch in dieser Woche hinauskommen werde.«
    Wildermuth verabschiedete sich mit einem langen Blick von der riesigen Blüte, die in dem ungeheuren grünen Blatt vor uns auf dem Wasserspiegel schwamm, und erhob sich.
    »Kommen Sie mit?«
    Ich nickte und folgte ihm langsam zum Ausgang. Nach dem feuchten Tropendunst wirkte die Luft draußen, obwohl die Sonne glühend niederstach, frisch wie Champagner. Wildermuth schnitt der langentbehrten Zigarre die Spitze ab, während ich schon genußsüchtig an meiner Zigarette zog.
    »Versetzen Sie sich in Frau Textors Situation, und stellen Sie sich vor, es wäre folgendes geschehen: Manueli war in Pertach, im Auftrag eines amerikanischen Bekannten, für dessen Sammlung er Chinoiserien der Meißner Manufaktur einkaufen sollte. Er suchte lange und fand schließlich einen sehr schönen, aber auch sehr kostbaren Deckelkrug, dessen Preis ihm zu hoch war...«
    »Ist das schon Hypothese oder noch Tatsache?«
    »Es entspricht der Darstellung von Frau Textor. Sie zeigte mir den Krug, wahrscheinlich einen Teebehälter, ein wundervolles Stück mit einer chinesischen Flußlandschaft, Dschunken im Vordergrund und Pagoden hinter den Schilfufern, wirklich ein zauberhaft gemaltes Stück und besonders kostbar, weil es zu den außerordentlich seltenen Erzeugnissen der Meißner Manufaktur gehört, die von Johann Gottlieb Erbsmehl signiert sind. Wahrscheinlich ein Probestück oder ein Versuch mit neuen Farben. Der Preis solch einer Rarität verschlägt einem kleinen Mann wie mir den Atem. Wahrscheinlich hat er auch Manueli erschreckt, dessen höchstes Angebot weit unter Textors Forderung lag, der zu dieser Zeit gerade heimkam, als Frau Textor mit Manueli verhandelte. Manueli versuchte lange, den Preis zu drücken, aber Textor blieb fest und bedeutete Manueli, daß jedes weitere Wort zwecklos sei. Nun besteht vielleicht die Möglichkeit, daß ihn seine Absage später doch reute...«
    »Das ist bereits Hypothese von Ihnen, nicht wahr?«
    Wildermuth nickte und fuhr, ohne sich durch meine Unterbrechung stören zu lassen, fort: »... und daß er seiner Frau später sagte, man hätte mit Manueli zu dem von ihm gebotenen Preis vielleicht doch zu einem Geschäftsabschluß kommen sollen. Stellen Sie sich vor, daß diese Worte in Frau Textor nachwirkten und daß sie beschloß, Manueli aufzusuchen. Sie fuhr also nach Achenreuth, stellte ihren Wagen hinter den >Botenwirt< ab, da sie um diese späte Stunde annehmen mußte, daß das Hoftor geschlossen sei, und ging an der Mauer entlang zum Eingang des Gasthauses. Am Hoftor vorbeigehend, entdeckte sie, daß es offen war, und sah, daß in einer der Garagen Manuelis Wagen mit hell strahlenden Scheinwerfern stand...«
    »Waren die Scheinwerfer tatsächlich eingeschaltet?«
    »Hat Ihnen das Ihr Freund Veitl nicht erzählt? Sie brannten noch am Morgen und hatten die Batterie des Wagens so sehr erschöpft, daß er mit einer Ersatzbatterie weggefahren werden mußte.«
    Wildermuth machte vor einem Hochstamm halt, der in verschwenderischer Fülle Rosen von einer samtenen, fast schwärzlichen Tönung trug, und hob die kleine gelbe Tafel an, auf der die Sortenbezeichnung vermerkt war.
    »Wundervoll in Duft und Farbe! Aber was für eine grauenhafte Phantasielosigkeit: Meta Drieschke!«
    »Gloire de Dijon klingt auch nur deshalb besser, weil der Name für unser Ohr französisches Parfüm hat. >Ruhm von Schweinfurt< klänge wesentlich prosaischer. Aber spannen Sie mich nicht auf die Folter, Wildermuth, sondern sagen Sie mir, worauf Sie eigentlich hinauswollen.«
    »Nun, die weißgekalkte Wand warf das Scheinwerferlicht so stark zurück, daß Frau Textor vielleicht nicht nur Manuelis Wagen erkannte, sondern auch ihn selbst, der vornübergebeugt bei halb geöffnetem Schlag auf dem Steuersitz kauerte. Stellen Sie sich vor, daß sie ihn

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