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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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anrief, näher ging und, als er auf ihren Anruf nicht reagierte, ihn vielleicht in der Meinung, ihm sei nicht wohl, aufrichtete und plötzlich merkte, was hier geschehen war. Ich will jetzt nicht fragen, was Sie an Frau Textors Stelle getan hätten. Natürlich hätten Sie das Haus wachgetrommelt und Polizei und Nachbarschaft alarmiert. Frau Textor ist vielleicht ein von Natur aus ängstlicher Mensch. Das hat nichts mit ihrer äußeren Haltung zu tun. Meine Großmutter war eine große Dame, sie verlor nichts von ihrer kerzengeraden Haltung, wenn ich eine lebende Ringelnatter aus der Hosentasche praktizierte, aber sie wurde vor Angst weiß wie die Wand und überstand die Ohnmacht stehend. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß Frau Textor nach dem ersten Schreck einfach die Nerven verlor und davonrannte, sich in ihren Wagen setzte und nach Pertach zurückpreschte und sich nun, um nicht in eine kriminelle Untersuchung verwickelt zu werden, mit allen Mitteln dagegen sträubt, zuzugeben, daß sie in Achenreuth gewesen ist. Nun, was meinen Sie dazu?«
    Ich sagte lange Zeit nichts und ging schweigend neben ihm her. Wenn ich mir unser Gespräch vergegenwärtigte und seine einzelnen Phasen verfolgte, dann wollte es mir erscheinen, als hätte Wil-dermuth es kunstvoll gesteuert. Eins war mir klar: er war davon überzeugt, daß Victoria Textor in der Stunde, in der der Mord geschah, in Achenreuth gewesen war und den Hof des >Botenwirt< betreten hatte. Was bezweckte er damit — denn er war nicht der Mann, der einen Nachmittag ohne eine bestimmte Absicht vertrödelte —, mir seine Hypothese mundgerecht zu machen? Ich konnte nicht abstreiten, daß sie gewisse Wahrscheinlichkeiten in sich barg, falls die alte Frau Empfenzeder keiner Täuschung zum Opfer gefallen war und Vicky tatsächlich gesehen und erkannt hatte.
    »Was geschieht«, fragte ich ihn, »wenn Frau Textor auch in Zukunft mit aller Entschiedenheit abstreitet, in Achenreuth gewesen zu sein?«
    »Hm, wahrscheinlich nichts«, antwortete er leicht gedehnt, »oder sagen wir: nicht, solange sich kein Motiv finden läßt, das ihr Auftauchen im Hofraum des >Botenwirt< wahrscheinlicher macht als die vage Vermutung, die ich Ihnen soeben vorgesetzt habe.«
    Ich nickte und schwieg.
    »Wenn es sich allerdings heraussteilen sollte«, fuhr er sanft fort, »daß Frau Textor den Ermordeten aus anderen, persönlichen Gründen sprechen wollte, dann könnte die Geschichte für sie natürlich unangenehm werden.«
    »Sagen Sie, lieber Wildermuth«, begann ich nach einer drückenden Pause, »war das nur eine freundschaftliche Unterhaltung zwischen alten Kriminologen, wenn Sie erlauben, daß ich mich auch dazu rechne, oder haben Sie als Beamter und Leiter des Morddezernates zu mir gesprochen?«
    Er bleckte wieder einmal die Zähne und sah einem Riesenfrosch ähnlicher als je zuvor.
    »Ich meine, lieber van Doorn, Sie kennen mich nun lange genug, um zu wissen, daß ich nicht zu jener Sorte von Beamten gehöre, für die der Dienst zu Ende ist, wenn sie die Bürotür hinter sich zumachen. Es wäre in meinem Aufgabenbereich auch unmöglich.«
    Ich hätte die Frage gar nicht stellen dürfen und steckte die Zurechtweisung, die in seiner Antwort lag, stillschweigend ein. Und ich ahnte, daß er mir vieles verschwieg, daß er viel mehr wußte, als er mir gesagt hatte, und daß es zwecklos war, ihn aushorchen zu wollen.
    »Nehmen Sie an, Ihre Hypothese entspräche der Wahrheit, und ich würde bei meinem nächsten Besuch auf Pertach Victoria Textor den Rat geben, nach Altenbruck zu fahren, dem Staatsanwalt ihre Situation zu erklären und ihm einzugestehen, daß nur Kopflosigkeit, Verwirrung und Furcht sie bisher davon abhielten, die Wahrheit zu sagen?«
    »Das lag nicht in meiner Absicht!« warf er ein. Aber es klang nicht sehr überzeugend, und ich erlaubte mir, ihn zweifelnd anzublicken.
    »Was geschieht dann?« fragte ich. »Was geschieht besonders dann, wenn Victoria Textor Ihre harmlose Erklärung aufgreift, sie hätte mit Manueli wegen des Verkaufs der Teedose noch einmal verhandeln wollen?«
    »Es kann Dutzende von anderen Gründen geben, weshalb sie ihn sprechen wollte.«
    »Was es auch sein mag, eins steht fest: jede Erklärung, die Victoria Textor vor dem Staatsanwalt abgibt, zieht sie unweigerlich in die Maschinerie hinein, von der Sie selber sagten, wie gefährlich es sei, wenn man erst einmal drinstecke. Stephan Textor ist ein bekannter Mann, ein international bekannter Mann. Ich

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