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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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aber ich wußte nicht, wie lange ich Gelegenheit haben würde, mit Hansi so vertraulich und ungestört sprechen zu können.
    »Ihr hattet vorgestern den Besuch eines guten Bekannten von mir«, begann ich und spürte sofort, wie sie sich spannte und eine wache Abwehrstellung bezog.
    »Du meinst Herrn Kriminalrat Wildermuth, nicht wahr?«
    Ich nickte. »Er mag dir wie der Froschkönig aus dem Märchen vorgekommen sein...«
    »Ja, so ungefähr. Ein Gesicht, von dem man träumen könnte. Vimmy und er einander gegenüber, das war wie die Begegnung von Wassermann und Lilofee.«
    »Der Vergleich ist nicht schlecht. Aber bei aller äußeren Skurrilität ist er ein außerordentlich liebenswürdiger und intelligenter Mann mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Er hat, aufs Kriminalistische übertragen, den Spürsinn deines Vaters.«
    Ihre Hand, die mir in diesem Augenblick den Kaffee einschenkte, zitterte nicht, aber ich sah, wie rasch unter der weiß blinkenden Muschelkette das Blut durch die Halsschlagader pulste.
    »Was wollte er eigentlich hier?« fragte sie mit rauher Stimme. »Er plauderte, als wäre er nur zum Tee nach Pertach gekommen, und sprach über Porzellan, als hätte er eine Stunde vorher einen Schnellkursus genommen, speziell über die Meißener Manufaktur.«
    »Täusch dich nicht, Wildermuth ist auf vielen Gebieten außerordentlich gut beschlagen. Er besitzt mehr als Kreuzworträtselbildung. Er bearbeitet übrigens den Fall Manueli, und wenn ich es jemandem zutraue, das Dunkel um diesen Mord aufzuhellen, dann ist es Wildermuth.«
    »Verdächtigt er etwa Paps oder Vimmy oder vielleicht sogar mich selber, diesen Zauberkünstler erschossen zu haben?« rief sie schrill.
    »Es gehört sozusagen zu seiner Berufspflicht, jeden Menschen zu verdächtigen, der sich zur Zeit der Tat in der Nähe des Tatortes aufhielt«, sagte ich leise.
    »Gehört Pertach zur Nähe des Tatortes?« fragte sie scharf.
    »Du verwechselst mich mit Herrn Wildermuth, mein liebes Kind. Was er unter >nah am Tatort< versteht, kann ich dir leider nicht sagen.«
    »Entschuldige, Onkel Paul«, bat sie und zwang sich dazu, einen Schluck aus ihrer Tasse zu nehmen. »Ich fürchte, ich habe dich angeschrien.«
    »Schrei ruhig, wenn es dir gut tut«, sagte ich und streichelte ihre Hand. Sie sah mich mit einem seltsamen Blick an; ich hätte ihn dankbar und zärtlich genannt, wenn ich fünfzehn Jahre jünger gewesen wäre.
    »Ach, Onkel Paul«, murmelte sie; es klang schwer wie der Seufzer der Prinzessin, wenn sie im dunklen Tor unter dem Haupt ihres treuen Rosses Fallada vorüberging. Es klang, als hätte sie sagen wollen: Wenn du wüßtest!
    »Hör mir gut zu, Hansi«, sagte ich nach einer Weile, »ich bin recht froh, daß ich dich allein angetroffen habe und in aller Ruhe mit dir reden kann. Es ist mir lieber, gewisse Dinge mit dir als mit deiner Mutter zu besprechen. Ich bin gestern im Botanischen Garten Wildermuth begegnet, dem ich aus gewissen Gründen ein paar Tage lang aus dem Wege gegangen bin. Ob er mich zufällig traf, weiß ich nicht, ganz gewiß aber brachte er das Gespräch nicht zufällig auf seinen Besuch in eurem Haus.«
    Hansi erblaßte unter der Bräune, und ich verfluchte meine Aufgabe; aber es half mir nichts, ich mußte sie zu Ende bringen. »Du brauchst dich nicht zu beunruhigen, Kind«, sagte ich herzlich und legte ihr die Hand ermutigend auf die Schulter. »Um es kurz zu machen: Wildermuth ist davon überzeugt, daß deine Mutter am Tatort war, kurz nachdem Manueli erschossen worden ist.«
    Sie schloß die Augen und ließ den Kopf sinken, als sei er für ihren zarten Hals zu schwer.
    »Nein, nein!« flüsterte sie kraftlos, ohne die Lippen zu bewegen. Sie war wie betäubt.
    »Hör zu! Wildermuth nimmt an, daß deine Mutter vielleicht mit Manueli über den Kaufpreis der Teedose hier nicht einig wurde und die Absicht hatte, mit ihm noch einmal zu verhandeln. Daß sie nach Achenreuth fuhr, den Wagen Manuelis mit eingeschalteten Scheinwerfern in der Garage des >Botenwirt< stehen sah, sich dem Wagen näherte, den Toten entdeckte und in kopfloser Angst und aus Furcht, eventuell in die Maschinerie des Fahndungsapparates zu geraten, davonlief.«
    Es war interessant, den Wechsel ihres Gesichtsausdruckes zu beobachten; interessant, aber für mich im höchsten Grade beunruhigend. Sie befeuchtete die spröden Lippen mit der Zungenspitze und schluckte, als wäre ihr die Kehle trocken geworden. Ich hatte das Empfinden, einem Fisch einen Köder

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