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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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verstehe durchaus, daß seine Frau kein Interesse daran hat, ihren Namen im Zusammenhang mit einem Mordprozeß in den Zeitungen wiederzufinden. Ich würde an ihrer Stelle nicht anders handeln.«
    »Sie hat«, warf Wildermuth mit einiger Schärfe ein, »wenn sie den ermordeten Manueli frühzeitig entdeckte, dadurch, daß sie einfach floh, dem Täter zum mindesten geholfen, seine Spuren zu verwischen. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf!«
    »Gewiß. Und trotzdem werde ich Victoria Textor, wenn ich nach Pertach komme, in ihrer Haltung bestärken. Immer unter der Voraussetzung natürlich«, fügte ich mit Betonung hinzu, »daß Ihre Vermutung richtig ist. Vorläufig zweifle ich persönlich nicht daran, daß Vicky sich im Haus aufgehalten und mit der ganzen bösen Geschichte nicht das mindeste zu tun hat!«
    Wildermuth hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Tun Sie, was Sie für richtig halten. Ob Sie Ihren Freunden damit einen Dienst erweisen, wird sich im Lauf der Verhandlung herausstellen. Vorläufig liegt alles noch im dunkeln.«
    Ich begleitete ihn bis zur Haltestelle der Straßenbahn. Ich selber zog es vor, heimzulaufen, denn ich brauchte Luft und Bewegung.
    Ich hatte am Nachmittag die Absicht gehabt, Victoria Textor anzurufen, um ihr meinen Besuch für den kommenden Tag anzukündigen. Aber in der Befürchtung, von ihr einen Korb zu bekommen, unterließ ich das Gespräch und stellte meinen Wecker auf sieben Uhr früh. Wenn mein Wagen mich nicht im Stich ließ, konnte ich den Schwibbogen zwischen den Stallgebäuden des Georgischlößl um neun Uhr passieren. Obwohl mein alter Ottokar zusehends schwächer wurde, machte er seine Sache noch ganz wacker. Daß Hunderte von chromblitzenden, geräuschlosen Fahrzeugen mich überholten, störte mich nicht, denn meinen Ehrgeiz, als Rennfahrer zu gelten, hatte ich längst aufgegeben, und mein alter Ottokar hätte sich bei dem Versuch, ihn hochzukitzeln, wohl in seine Bestandteile aufgelöst.
    In der Nacht hatte es das übliche Gewitter gegeben, die Luft war kühl, und das Schlößl lag noch im zarten Gespinst des Frühnebels, als ich den braven Ottokar von der Höhe des Hügels abrollen ließ, um seinem geplagten Motor wenigstens auf den letzten dreihundert Metern Ruhe zu gönnen. Dünne Schleier wallten aus dem See und seinen sauren Uferwiesen, das Schilf klirrte leise, und das Bild der Landschaft glich einer jener genialen japanischen Tuschezeichnungen, die mit spärlichsten Mitteln so unendlich viel Stimmung auszudrücken vermögen.
    Aus dem Kamin der Waschküche, die mit ihrem winzigen Walmdach aus silbergrauen Lärchenschindeln an die dem Schlößl gegenüberliegende Scheune angebaut war, stieg der blaue Rauch eines Holzfeuers. Ich überraschte Sofie, die, mit einer blauen Wickelschürze bekleidet, gerade dabei war, Wäsche aus dem dampfenden Kesel ins Spülschaff zu heben. Ihrer Arme und Muskeln hätte sich ein Schwergewichtsboxer nicht zu schämen brauchen. Freude und Verlegenheit, mich zu sehen, wechselten in ihrem roten, schweiß- und dampfüberglänzten Gesicht.
    »Abber nejnchen, so eine Ieberraschung! Unser Herr van Doorn!« rief sie und schlenkerte das Wasser von den aufgebrühten Händen. »Unser Alexchen hat ein paar schöne Aalchens gefangen, und der Dill im Jarten steht schon hoch im Kraut...«
    »Lieber Gott, Sofie, für wie verfressen müssen Sie mich halten, daß das erste Begrüßungswort nach so langer Zeit Aal in Dill ist?«
    »Abber Herr van Doornchen, ich weiiß doch, wie es Ihnen schmeckt.«
    »Alles wohlauf im Hause, Sofie?«
    »Unsere jnädje Frau is vor ’ner halben Stunde nach Altenbruck jefahren und will erst jejen Mittach zurücksein, und unser Alex-chen is drieben am Bach bei den Aalreusen, aber unser Hansichen muß im Haus sein...«
    »Ich habe die Klinik gestern abend angerufen. Mit Herrn Textor ist es jedenfalls nicht schlimmer geworden, und das ist schon viel wert.«
    »Achottchen«, seufzte sie und faltete die vom Wasser aufgezogenen Hände, »jeden Tach, den der liebe Herrgott werden läßt, bitt ich auf den Knien, daß unser gnädjer Herr wieder jesund wird...«
    »Na, dann kann ja eigentlich nichts schiefgehen, Sofie. Und was sagen die Kärtchens?«
    Wie immer, wenn ich sie mit ihrem breiten Ostpreußisch und mit ihrer Passion für das Kartenschlagen ein wenig aufzog, die sie seltsamerweise mit einer durchaus ernst zu nehmenden Frömmigkeit verband, wurde sie widerborstig. Ihr »Neiidenbruch« und ihre »Kärtchens« waren zwei

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