Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
dann ganz aufzugeben, war ein völliger körperlicher und seelischer Zusammenbruch. Der Mann, der Alexanders Vater ist, der Victoria die Ehe versprach und sie drei Jahre schamlos ausnutzte, ihr Leben zerstörte und sie in dem Augenblick, als sie seine Hilfe am meisten brauchte, bedenkenlos im Stich ließ, hieß Michael Borda. Er war ein miserabler Schauspieler, aber ein virtuoser Manipulator und von einer fabelhaften Eleganz der Erscheinung. Er trat bald von der Bühne ab und versuchte sein Glück als Zauberkünstler. Zunächst ohne besonderen Erfolg, bis er schließlich durch verbesserte Tricks und anspruchsvollere Darbietungen Engagements in die Großstädte und schließlich ins Ausland bekam. Von da an nannte er sich Manuel Manueli. Er scheint es in den letzten zehn Jahren zu einem gewissen Ruhm und zu Vermögen gebracht zu haben. So lange er noch Borda hieß, war er ein dreckiger kleiner Erpresser, der Victoria jeden Groschen abjagte, den sie sich vom Wirtschaftsgeld und von den Beträgen ersparte, die ich ihr für ihre Garderobe zur Verfügung stellte. Natürlich hatte er keinerlei Rechte auf den Jungen, aber in seinen Briefen, die Victoria mir aus Furcht und Scham jahrelang verheimlichte, bis ich dann endlich durch Zufall einen von ihnen zu lesen bekam, beklagte er sein Schicksal, das ihm nicht erlaube, für seinen Sohn zu sorgen, erinnerte Victoria an jene Zeiten, an die sie nur mit Abscheu zurückdachte, heuchelte väterliche Gefühle und beschwor Victoria, Alexander nicht völlig vergessen zu lassen, wer sein wahrer Vater sei. Und von Zeit zu Zeit stellte er ihr seinen Besuch in Aussicht, damit das liebe Kind ihm nicht völlig entfremdet würde. — Jeder dieser Briefe schloß mit dem Nachsatz, daß er im Augenblick leider völlig auf dem Trockenen säße und seine Absicht, seinen Sohn zu besuchen, eventuell aufschieben würde, wenn Victoria ihm aus der Klemme helfen könnte. Nun, nachdem ich einen dieser Briefe gelesen und von Vicky erfahren hatte, daß sie solche Schreiben von ihm regelmäßig erhielt, schrieb ich ihm, daß ich ihn mit der Hundepeitsche aus dem Haus jagen würde, wenn er es wagen sollte, es je zu betreten, und daß ich ihn dem Staatsanwalt übergeben würde, wenn er seine Erpressungen fortsetzen sollte. Das war Herr Michael Borda. Als Manuel Manueli ließ er jahrelang nichts mehr von sich hören, und wir glaubten schon, ihn endgültig los zu sein, bis dann plötzlich vor etwa einem halben Jahr Victoria wiederum einen Brief von ihm erhielt. Dem Sinn nach enthielt er folgendes: Manueli bedaure lebhaft, früher durch seine mißlichen finanziellen Verhältnisse und später durch seine übergroße Belastung und seinen Auslandsaufenthalt nicht dazu gekommen zu sein, für Alexander zu sorgen. Er bedaure das um so mehr, als er seit einer Reihe von Jahren in ausgezeichneten Vermögensverhältnissen lebe und nicht nur zu Geld, sondern auch zu Besitz gekommen sei. Da er aber den Keim zu einer tödlichen Krankheit in sich trüge und nur noch mit einer Lebensdauer von wenigen Jahren zu rechnen habe, natürliche Erben aber nicht besäße, wünsche er nichts mehr, als daß sein Vermögen wenigstens dem einzigen Menschen zukäme, den er als seinen direkten Erben betrachte, nämlich Alexander. Er wüßte natürlich, daß das Gesetz ihm keine Handhabe böte, Alexander de jure als seinen Sohn anzusprechen, wenn er es de facto auch sei. In jedem Fall bäte er Victoria und auch mich, ihm eine Unterredung mit Alexander zu ermöglichen, um ihn eine Entscheidung, die für sein weiteres Leben von größter Bedeutung werden könne, selber treffen zu lassen. — Dem Schreiben war ein Scheck über fünftausend Mark beigeheftet mit dem Bemerken, falls Victoria auf diese Summe als Erziehungsbeitrag verzichte, so möge sie wenigstens gestatten, daß Alexander über das Geld verfügen dürfe, um sich einen Wunsch zu erfüllen.«
    Stephan Textor unterbrach seine Erzählung für eine kleine Weile. Das Sprechen schien ihn sehr anzustrengen. Vielleicht behinderte auch das Gipskorsett, das den halben Brustkorb umspannte, seine Atmung.
    »Wissen Sie«, fragte ich, »daß Manueli, bevor er in Pertach erschien, Schloß Wartaweil einen Besuch abgestattet hat?«
    »Ja«, murmelte er, »er hat es Victoria gesagt und auch mir gegenüber wiederholt. Er behauptete allerdings, sich Alexander nicht zu erkennen gegeben zu haben.«
    »Er hat es auch nicht getan. Ich weiß es von Alexander selbst.«
    »Was hat Alexander Ihnen gesagt?«

Weitere Kostenlose Bücher