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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Manueli erschossen«, wiederholte er ganz ruhig und blickte mir gerade in die Augen. »Aber setzen Sie sich doch. Ihren Füllhalter haben Sie dabei, wie ich sehe. Dann werde ich jetzt nach Schwester Mechthildis läuten, damit sie uns ein paar Bogen Schreibpapier bringt.«
    Er griff nach der Glocke, die in Griffnähe über seinem Kopf baumelte, und drückte auf den Knopf. Ich stand noch immer neben seinem Bett und hatte das Gefühl, ich müsse aus einem bösen Traum erwachen. Und dabei wußte ich, daß es kein Traum war und daß es kein Erwachen daraus gab, sondern daß alles, was ich gehört hatte und hören würde, die nackte Wahrheit war. Die Wahrheit, die Hansi vielleicht längst ahnte und die Victoria Textor seit Wochen quälte und bedrückte. Ich sah die Schwester kommen, ich wechselte ein paar belanglose Worte mit ihr, automatisches Geschwätz, das die Zunge von selbst erledigt, während mein Verstand wie gelähmt vor der Barriere jener vier Worte stand, mit denen Textor sich des Mordes an Manueli bezichtigt hatte.
    »Nun«, sagte ich schließlich, darum bemüht, meine Benommenheit und Bestürzung zu überwinden, »wenn Sie Manueli erschossen haben, dann werden Sie dazu einen Grund gehabt haben. Ich bitte Sie nur dringend darum, sich zu überlegen, ob Sie mich wirklich zum Mitwisser eines Geheimnisses machen wollen, mit dem Sie selber fertig werden müssen — und für das Sie eines Tages auch geradestehen werden, wie ich Sie kenne.«
    Er drehte mir mit einiger Anstrengung das Gesicht zu und sah mich voll an.
    »Ich habe nicht die Absicht, den Folgen meiner Tat aus dem Weg zu gehen. Jetzt nicht mehr. Und es liegt auch nicht in meiner Absicht, unsere Freundschaft auszunützen, Ihnen eine Beichte abzulegen und Sie etwa zum Schweigen zu verpflichten. Ich will Sie nicht in Gewissenskonflikte stürzen, Paul. Denn wenn das in meiner Absicht läge, dann würde ich es durchaus verstehen, wenn Sie ablehnen würden, mich anzuhören.«
    Er drehte den Kopf zurück, da ihn die seitliche Haltung zu ermüden schien, und starrte wieder gegen die Decke.
    »Ich werde das, was ich Ihnen jetzt sagen will, in kurzer Zeit vor dem Richter wiederholen. Was mich daran hindert, es sogleich zu tun, ist nur der miserable Zustand, in dem ich mich befinde. Immerhin könnten Umstände eintreten, die es notwendig machen, daß sich mein Geständnis in Ihren Händen befindet. Sind Sie bereit, mich anzuhören und später über unsere Unterredung ein Protokoll aufzusetzen?«
    »Gewiß«, sagte ich beklommen und von der Doppeldeutigkeit seiner Worte betroffen, denn seine Art, sich auszudrücken ließ es offen, wen er mit dem Richter meinte, vor dem er sich zu verantworten die Absicht hatte. Ich rückte mir einen Stuhl an sein Bett heran. Das Zimmer war strahlend hell, die Möbel spiegelten sich in dem grünen Linoleum und blendeten mit ihrem ungemilderten Weiß die Augen, es war der übliche Schleiflackkomfort eines Privatzimmers erster Klasse, ungemütlich hygienisch.
    »Übrigens danke ich Ihnen, daß Sie sich um Vicky und die Kinder gekümmert haben. Alexander hat die Schule verlassen. Es ist mir gar nicht recht. Aber unter den gegebenen Verhältnissen und für ihn selber ist es wohl am besten so.«
    »Alex ist ein tüchtiger Junge, er wird seinen Weg auch ohne Schulzeugnisse machen.«
    Er tastete mit der Hand nach mir und legte sie mir für eine Sekunde aufs Knie. Es lag etwas Blindes und Hilfloses in seiner Bewegung, das mich erschütterte.
    »Ich möchte Ihnen von Herzen gern helfen, Stephan, aber ich kann es nicht. Warum Sie Manueli erschossen haben, weiß ich nicht. Aber auch wenn ich Ihre Gründe kenne, werde ich Ihnen niemals Zureden, sich vor der Verantwortung zu drücken — was Sie auch darunter verstehen mögen. Das sind Ihre eigensten Angelegenheiten, die Sie mit Ihrem Gewissen abmachen müssen. Ich werde Ihnen in Ihre Entscheidungen nie hineinreden. Aber vielleicht werden mir Victoria und Ihre Kinder eines Tages den Vorwurf nicht ersparen, daß ich mit meiner allzu liberalen Laissez-faire-laissez-passer-Haltung der schlechteste Mann war, den Sie sich für diese Stunde wählen konnten.«
    »Diese Haltung habe ich von Ihnen erwartet, Paul, und deshalb habe ich Sie auch zu mir gerufen. Ich habe mich bemüht, den Kindern von frühester Jugend an beizubringen, daß die letzte Verantwortung jeder für sich allein trägt. Wie kann ich den Prinzipien untreu werden, die ich mich ihnen einzuprägen mein Leben lang bemüht habe?«
    »Ich

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