Der Tod des Zauberers
nehme an, daß Victoria das, was Sie mir gesagt haben und was Sie mir noch sagen werden, bereits weiß?«
Er hob den Kopf und ließ ihn, da die Bewegung ihm Schmerzen zu bereiten schien, wieder auf das flache Nackenpolster sinken. Wie ans Bett geschmiedet lag er vor mir, die einzigen Gliedmaßen, die er frei bewegen konnte, waren seine Arme.
»Victoria weiß zweifellos, daß ich Manueli erschossen habe. Aber gesprochen habe ich darüber mit ihr nicht. Weshalb auch? Um sie noch mehr zu beunruhigen? Sie hat in den letzten Wochen mit mir genug durchgemacht.«
»Hat sie Ihnen gesagt, daß Beamte der Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in letzter Zeit mehrfach auf Pertach gewesen sind und sie verhört haben?«
»Was soll das heißen?« fragte er scharf und wach. »Victoria ist verhört worden? Hat mich die Kriminalpolizei bereits im Verdacht?«
»Das glaube ich nicht. Die Geschichte liegt anders. Sie wissen, daß ich mit Kriminalrat Wildermuth seit langen Jahren befreundet bin. Er bearbeitet den Fall Manueli. Ich habe die begründete Vermutung, daß er der Meinung ist, Manueli sei nicht aus Zufall und aus reiner Kunstliebhaberei in Pertach erschienen. Was er weiß oder ahnt, ist mir nicht bekannt. Victoria war zu der Zeit, in der Manueli erschossen wurde, in Achenreuth. Man hat ihren Wagen dort gesehen. Das kann ein Zufall sein. Wenn jedoch ein Motiv dazukäme, das es möglich erscheinen läßt, Victoria könne Manuelis Tod aus irgendwelchen Gründen gewünscht haben, dann könnte die Situation für sie sehr unangenehm werden. Das ist Wildermuths Meinung, und ich habe mich verpflichtet gefühlt, sie Ihnen nicht vorzuenthalten.«
An seinem Gesichtsausdruck und an seinem kurzen Atem merkte ich, wie sehr meine Mitteilung ihn erregte.
»Das ist doch heller Wahnsinn!« stieß er hervor. »Victoria hat mit dem Tod Manuelis nichts zu tun, hören Sie, nichts! Wenn sie tatsächlich in jener Nacht nach Achenreuth gefahren ist, dann nur, um mich an der Tat zu hindern! Aber sie kam zu spät... Um Gottes willen, was war ich für ein Narr, als ich damals glaubte, ich könne ein Ende machen, und mit meinem Tod wäre alles erledigt und abgetan! Wenn Victoria nach Achenreuth gefahren ist und mich dort vielleicht gesehen oder das Geräusch meines Wagens gehört hat, als ich das Dorf verließ... «
»Das ist durchaus möglich, und es würde auch ihre Haltung erklären. Sie ist am Ende ihrer Kraft und von einer Angst erfüllt, die nicht nur mir, sondern auch Wildermuth aufgefallen ist. Er vermutete allerdings, Victoria habe den Toten, kurz nachdem er erschossen worden war, zuerst entdeckt und ihre Entdeckung aus Furcht, in Vernehmungen und Verhöre verwickelt zu werden, verschwiegen.«
Die Fenster des Krankenzimmers gingen auf eine parkähnliche Anlage hinaus. Ein Gärtner schor mit einer motorbetriebenen Maschine den Rasen, das Tuckern des kleinen Benzinmotors drang lärmend ins Zimmer, und ich ging, um das Fenster zu schließen.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann war Ihr Unfall also kein Mißgeschick, sondern...« »Es war der erfolglose Versuch, nach Manueli auch mich und alle Konsequenzen meiner Tat aus der Welt zu schaffen«, sagte er und ließ die Hände sinken. »Ich hatte dabei nur nicht bedacht, daß wahrscheinlich kein Mensch auf die Vermutung kommen konnte, ich hätte Manueli getötet. Victoria zu verdächtigen! Was für ein Wahnsinn! Immerhin ein Wahnsinn mit Methode«, fügte er nach einer kleinen Weile hinzu, »denn wenn man es recht bedenkt, dann hatte Vicky genausoviel Ursache wie ich, mit Manueli abzurechnen.«
Ich ging zu meinem Platz zurück und ließ mich wieder neben seinem hohen Krankenbett nieder.
»Ich habe diesen Mann an jenem Tag zum erstenmal in meinem Leben gesehen«, sagte er nach einer kleinen Pause und zog die leichte Decke höher über seine Brust, »aber ich habe ihn zwanzig Jahre lang wie die Pest gehaßt, und ich habe geahnt, daß es eines Tages so kommen würde, wie es gekommen ist. — Ich habe Victoria Fleming vor zwanzig Jahren geheiratet. Sie war damals dreiundzwanzig Jahre alt und hatte ihre Bühnenlaufbahn plötzlich abgebrochen. Der Grund dafür war, daß sie ein Kind bekam, eben Alexander, den ich sofort nach unserer Eheschließung adoptierte, der als mein Sohn heranwuchs und es heute noch nicht ahnt, daß ich nicht sein Vater bin. Er war, als ich Victoria heiratete, ein halbes Jahr alt. Der eigentliche Grund aber, der Vicky zwang, ihren Beruf zunächst zu unterbrechen und
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