Der Tod des Zauberers
wenn man alles allein schlucken muß! Und wenn man spürt, wie einem die Angst das Herz abschnürt! Ach, Paul, ich liebe dich doch so sehr! Sei doch wenigstens du ein bißchen gut zu mir... Denn ich weiß doch, daß Vimmy es getan hat! Auch wenn du mich zu beruhigen versuchst und mir hundertmal sagst, ich bräuchte mir um Vimmy keine Sorgen zu machen. Aber das Blut an ihren Handschuhen und an ihrem Kleid! Und was du vielleicht nicht weißt: Vimmy hatte doch die kleine Pistole von Paps nach Achenreuth mitgenommen! Als sie das Haus verließ und ich hörte, daß sie mit dem Wagen aus dem Hof fuhr, da wußte ich, daß etwas Furchtbares geschehen würde. Da fielen mir die beiden Pistolen ein, die in Paps Schreibtisch lagen, ich rannte in sein Zimmer und schaute in der Schublade nach. Da lag nur noch der große Revolver mit der Trommel darin. Lieber Gott! Und das Haus war ganz leer. Und die Dielen knisterten und knackten. Und in den alten Möbeln tickte es. Und wie ich mich zu Sofie flüchten wollte, da lag sie in ihrer Kammer vor dem alten gotischen Kruzifix auf den Knien und sah sich nach mir um, als ob sie wahnsinnig sei. Sie konnte nicht reden, sondern nur lallen wie eine Irre — es war so entsetzlich, daß ich dachte, mir müßte das Blut in den Adern gerinnen. Ach, Paul...«
Sie stürzte mir entgegen, ich fing sie mit meinen Armen auf und preßte sie an meine Brust.
»Jaja, mein geliebtes Mädchen, natürlich darfst du hierbleiben. Und nun beruhige dich. Ich bin bei dir. Jetzt und immer.«
Ich legte sie auf die Kissen zurück, die sie sich aufgeschichtet hatte, küßte sie und hielt ihre Hände, um sie zu wärmen.
»Nicht mehr weinen, mein armer kleiner Spatz. Ich hole uns jetzt einen Whisky, er wird dir scheußlich schmecken. Aber du wirst schlafen. In meinem Bett. Und ich werde mir hier ein Lager machen.«
»Nein, ich schlafe hier.«
»Nein, du schläfst nicht hier! Denn morgen früh kommt die Putzfrau und wirft dich womöglich hinaus, weil sie eine sehr sittenstrenge Dame ist und weil du viel zu hübsch bist, als daß sie nicht auf dumme Gedanken kommen müßte. Und außerdem habe ich morgen früh zu telefonieren und alles mögliche zu erledigen, denn ich möchte mit dir so bald wie möglich nach Pertach fahren. Also keine Widerrede, du schläft drüben und ich hier!«
»Aber nicht sofort!«
»Nein, jetzt trinken wir, bis uns die Augen zufallen. Man könnte natürlich auch ein Schlafmittel nehmen, aber ich finde feuchten Whisky doch sympathischer als trockene Tabletten.«Ich ging in die Küche, entkorkte eine Flasche Scotch und fand noch so viel Selterswasser, daß es für Hansi reichte. Meine Gläser trugen Markierungen für Ladies, Gentlemen, Matrosen und Schweine. Ich füllte Hansis Glas bis zur Matrosenmarke und meins bis dicht an das rosige Schweinchen heran, das nah unter dem Rand in das Glas geätzt war.
»Pfui Spinne, schmeckt das scheußlich!« würgte Hansi nach dem ersten Schluck hervor, »an das Zeug werde ich mich nie gewöhnen!«
»Es wäre entsetzlich, wenn du es tätest«, sagte ich und hob mein Glas. Es war erstklassiger, alter Whisky, und ich hatte einen sündhaften Preis dafür bezahlt. Ich hatte beim Kauf an eine besondere Gelegenheit gedacht, bei der ich die Flasche entkorken würde. Nun, diese Gelegenheit war gekommen, wenn ich sie mir auch etwas festlicher und heiterer vorgestellt hatte.
Ich setzte mich zu Hansi auf die Couch und legte den Arm zärtlich und tröstend um ihre Schultern.
»Ach, weißt du«, sagte sie und kuschelte sich eng an mich, »ich könnte jetzt so glücklich sein. Weshalb ist alles andere nicht nur ein böser Traum? Vimmys Verhaftung... Die Arme, was sie gelitten haben mag und was ihr noch an Leid bevorsteht! Paps in diesem schrecklichen Bett, das aussieht, als hätte man es aus der Folterkammer der Nürnberger Burg hervorgeholt... Und Alexander, der eines Tages ja doch erfahren muß, wer Manueli war. Und Sofie, die ja sicherlich auch alles gewußt hat und sich in den letzten Wochen dauernd in ihrer Kammer einschloß und betete. Du weißt ja, wie sie an Vimmy hängt. Ach, Paul, ich wünschte, ich brauchte nie wieder nach Pertach zurück, nie wieder im Leben!«
»Trink, mein kleiner Spatz, auch wenn es dich schüttelt. Es ist Medizin. Kipp sie herunter und laß dir noch einen Schluck eingießen.«
»Hm«, meinte sie, »so scheußlich wie beim ersten Schluck finde ich das Zeug eigentlich gar nicht mehr.«
»So? Dann wird es höchste Zeit, daß du ins Bett
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