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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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culpa! Mea culpa! Mea culpa!« und ich packte ihr aufgelöstes Haar und versuchte, ihren Kopf herumzuzerren, um ihr Gesicht zu erkennen, aber sie entwand sich zuckend und heulend meinem Griff. Und als ich ihr Gesicht mit furchtbarer Gewalt nach hinten riß, da starrte ich entsetzt in ein Antlitz aus fließendem Teig, in eine schreckliche, formlose Maske. Und plötzlich stand Hansi zwischen uns, in das strahlende Gewand eines Erzengels gehüllt, aber statt des Flammenschwertes trug sie eine Glocke in der Hand, die sie vor mir läutend hin- und herschwang: »Tu ihr nicht weh! Du weißt doch...« Was weiß ich? Ich verstehe dich nicht! Ich verstehe dich nicht, wenn du die Glocke nicht stillhältst! Ich starrte auf ihren Mund und versuchte, ihr die Worte von den Lippen abzulesen, aber die Glocke dröhnte immer lauter, immer lauter...
    Ich fuhr empor. Es war heller Tag. Meine Uhr zeigte halb acht. Und auf meinem Schreibtisch läutete das Telefon gewiß schon seit Minuten. Ich sprang auf. Meine Glieder waren wie gerädert, und der Schädel schmerzte zum Zerspringen. Ich tappte bloßfüßig zum Schreibtisch, verwickelte mich in den Teppich und wäre fast gefallen. Nicht betrunken, nur durchgedreht.
    Aber in dem Moment, in dem ich den Hörer ans Ohr preßte und die Stimme von Schwester Mechthildis vernahm, rasteten die Gedanken, als würde die herabfallene Kette wieder aufs Zahnrad gehoben, augenblicks ein.
    »Stephan Textor?«
    »Gewiß habe ich Sie aus dem Schlaf gerissen, Herr von Doorn«, kam es sanft aus dem Apparat. »Aber ich meinte doch, Ihnen den Anruf schuldig zu sein.«
    »Steht es schlimm?«
    »Nein, im Gegenteil, Herr Textor ist außer Gefahr; der Herr Professor hat die Klinik erst in den Morgenstunden verlassen, nachdem die Gefahr eines Kollapses vorbei war.«
    »Kann ich Herrn Textor besuchen?«
    »Gewiß, und am besten so bald wie möglich, bevor er einschläft. Ein paar Stunden wird er noch unter der Wirkung der Analgetika stehen. Ach, Herr van Doorn, wie konnte das nur geschehen? Weshalb hat er es getan? Und ist es wirklich wahr, daß Frau Textor verhaftet worden ist? Wegen Mordes... Nein, das kann doch gar nicht möglich sein! Eine Dame wie sie, so vornehm, so freundlich und so schön...«
    »Es ist ein Irrtum, Schwester Mechthildis. Ein Irrtum, der sich bald aufklären wird.«
    »Das habe ich mir doch gleich gedacht, und ich habe es auch zu Herrn Doktor Körner gesagt: ein Irrtum, nichts weiter. Da bin ich aber von Herzen froh, daß Sie mir das nun bestätigen. Aber das macht die Sache ja noch tragischer, wenn Herr Textor wegen dieses Irrtums...«
    »Ja, das wird wohl der Grund sein, weswegen er zum Veronal griff. Ich war leider so unvorsichtig, ihm zu erzählen, daß seine Frau verhaftet worden sei. Aber sagen Sie bitte, Schwester Mechthildis, wie verhält sich Textor jetzt? Was spricht er?«
    »Nichts«, kam es sanft klagend, »das ist es ja eben, was mir Sorge macht. Er trommelt mit den Fingern aufs Bett und starrt an die Decke. Und gegen den Herrn Professor hat er Ausdrücke gebraucht... Nein, man sollte es nicht für möglich halten, daß so ein feiner und gebildeter Mann wie Herr Textor solche Ausdrücke überhaupt kennt.«
    Ich glaubte zu sehen, wie Schwester Mechthildis errötete.
    »Das war noch schlimmer als das, was man manchmal nach der Narkose zu hören bekommt«, fügte sie hinzu. »Aber der Herr Professor hat nur gelacht und ihm mit gleicher Münze herausgegeben.«
    »Eine Frage noch, Schwester Mechthildis: Haben Sie Herrn Textor von Anfang an betreut?«
    »Ja, gewiß, vom ersten Tag an, als er eingeliefert wurde.«
    »Wissen Sie zufällig, ob er sich jemals über einen Mord geäußert hat, der an einem Mann namens Manueli in dem Dorf Achenreuth, in dessen Nähe Textors Besitz liegt, verübt worden ist?«
    »Aber ja, ich bin doch selber in jener Gegend daheim, in Pavol-ding, wenn Sie wissen, wo das liegt. Da haben meine Eltern einen Bauernhof. Deshalb hat mich die Geschichte so aufgeregt. Und als Herr Textor so weit wiederhergestellt war, daß man sich mit ihm unterhalten konnte, da habe ich ihm erzählt, was sich in Achenreuth zugetragen hat. Ich hätte es ja nicht getan, wenn ich geahnt hätte, daß es ihn so aufregen würde. Ich habe ihm alle Zeitungen besorgen müssen, wo etwas über den Mord drin stand, und habe ihm alles vorlesen müssen... Sagen Sie, Herr van Doorn, ist es etwa dieser Zauberkünstler, den die Frau Textor erschossen haben soll?«
    »Ich erzähle Ihnen alles, wenn ich

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