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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Kollege Edgar Wallace sich zeitlebens vergebens bemüht hat: Kriminalschriftsteller schlägt Polizei um Nasenlänge. Ich würde Ihnen diesen Erfolg von Herzen gönnen.«
    »Werden Sie nicht komisch«, knurrte ich ihn an. »Für diese Art von Scherzen fehlt mir im Augenblick jedes Organ!«
    Ich war zu müde, um meinen Ottokar noch in seine Garage zu fahren, und ließ ihn einfach vor dem Haus stehen. Er war nicht das Modell, auf das es Autodiebe abgesehen hatten. Als ich die hundertzwanzig Treppenstufen hinter mich gebracht hatte und meine Wohnungstür aufschloß, sah ich, daß in meinem Arbeitszimmer Licht brannte. Hatte ich es auszuschalten vergessen, als ich die Wohnung verließ? Ich entsann mich genau, daß ich das Licht gelöscht hatte. Einbrecher am Werk? Ich verhielt einen Augenblick in dem kleinen Vorraum und lauschte. Nichts rührte sich. Ich trat über die Schwelle, warf einen Blick auf meinen Schreibtisch, auf dem das Blatt in die Maschine gespannt war und alles genauso dalag, wie ich es verlassen hatte — und entdeckte Hansi. Sie lag, in meinen alten, durchlöcherten, grauen Morgenmantel gewickelt, auf meiner Couch und schlief fest. Ein Band Puschkinscher Novellen, in dem sie gelesen hatte, war ihrer Hand entglitten und lag aufgeblättert neben ihren hochhackigen Schuhen am Boden. Das Kleid mit den großen Chrysanthemenblüten hing ordentlich über der Lehne eines Sessels, und über den Armstützen baumelten zwei hauchdünne Strümpfe. Sie schlief wie ein Kind, die Wimpern zitterten wie Schmetterlingsflügel, und die Hände lagen zu Fäusten geballt neben ihrem Kopf. Ein reizvolles Bild, aber es verfehlte seine Wirkung auf mich völlig.
    »He?« rief ich sie an und begegnete dem bezaubernden Lächeln, mit dem sie die Augen aufschlug, mit meiner finstersten Miene. »Wie, zum Teufel, kommst du her, und was hast du um diese Zeit hier zu suchen?«
    Sie zog den Morgenmantel fester um ihre Schultern, setzte sich auf und umschlang die Knie mit den Armen.
    »Ich habe mich in dem Hotelzimmer gefürchtet, Paul. Und der Wasserhahn tropfte... Und nebenan stöhnte jemand im Schlaf.«
    »Sei nicht albern!« sagte ich zornig. »Wie bist du hergekommen?«
    »Zu Fuß — wie sonst? Es lohnt sich ja nicht, die Trambahn zu benutzen. Und ein Taxi war zu teuer.«
    »Und da bist du mitten in der Nacht durch die Straßen gegangen?«
    »Na, die Kavaliere, die mich anzusprechen versuchten, habe ich fürchterlich abfahren lassen.«
    »Los, zieh dich an und mach, daß du hinauskommst! Ich fahre dich noch einmal zum Hotel zurück. Zum letztenmal! Und meinen Wohnungsschlüssel lieferst du ab, verstanden? Ich habe keine Lust, womöglich noch einmal deinen Kutscher zu spielen...«
    Ich nahm ihre Strümpfe und aus der Sesselecke irgend etwas Rosafarbenes aus Nylon, was sich bequem in einer Zündholzschachtel unterbringen ließ und wahrscheinlich Wäsche darstellen sollte, und feuerte es ihr hin.
    »Du bist verdammt jung, mein Herzchen, aber so jung bist du wiederum auch nicht mehr, daß du dir solche Scherze erlauben darfst. Das geht nach meinem Geschmack ein bißchen zu weit. Und ich bin —zum Teufel noch einmal —auch nur ein Mensch!«
    Plötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht, und ihre Haare fielen wie ein lodernder Vorhang darüber.
    »Ach, Paul!« schluchzte sie, und die Tränen quollen zwischen ihren Fingern hindurch und fielen glitzernd in ihren Schoß, »jetzt hältst du mich womöglich noch für ein Luder — meinem ganzen Reden nach, daß ich dir Liebeserklärungen mache, mich dir an den Hals werfe und hier nachts bei dir einbreche. Und dabei habe ich mir doch gar nichts dabei gedacht, außer, daß ich dir gefallen möchte... Und ich bin doch so dumm... Und so unglücklich!«
    Ich stand unschlüssig dabei und schämte mich ein bißchen, daß ich sie so grob angefahren hatte.
    »Nana«, murmelte ich besänftigend, »so schlimm ist es ja nun auch wieder nicht gemeint — es macht mir nichts aus, daß ich dich noch einmal zurückfahren muß. Ich bin nur ein wenig nervös und überanstrengt. Und ich habe zu viel geraucht und ein wenig getrunken, sonst wäre ich wahrscheinlich etwas friedfertiger und gemütlicher.«
    »Ach, bitte, Paul«, flehte sie mich an, »laß mich hier schlafen! Ich mache dir gar keine Umstände. Und dein Mantel langt mir vollkommen!« Ein neuer Tränenstrom und: »Wenn du wüßtest, was ich in diesen Wochen durchgemacht habe! Und wie das ist, wenn man keinen Menschen hat, dem man vertrauen kann! Und

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