Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
Krebs darstellt, auf dem linken Schulterblatt spazieren tragen. Mir war neu, dass die Chinesen das Sternzeichen Krebs kennen, aber warum sollte ich wegen zehn Euro einen weiteren Streit mit den Kindern provozieren? Ich überlegte sogar kurz, mir eine Grimbergen-Flasche auf den Oberarm malen zu lassen, aber ich war mir sicher, Anne hätte dieses Ansinnen nicht honoriert.
Am Obststand erstand Anne irrwitziges Zeug: Bananen, eine Mango, Pfirsiche, Erdbeeren und eine Ingwerwurzel. »Wofür brauchst du das denn?«
»Zum Grillen!«
Das ist genau der Moment, in dem der Harmonie suchende Ehemann besser abrupt die Diskussion abbricht. Also schaute ich mich lieber nach den Kindern um.
Tristan hatte einen Stand gefunden, der darauf spezialisiert war, T-Shirts mit Motiven zu bedrucken, die Eltern so nicht hinnehmen können. Don’t worry, be happy! über einem Cannabisblatt war sein favorisiertes Motiv. Na ja, ab und an muss man halt doch Streit mit den Kindern provozieren. Anne lehnte seine Idee rundweg ab.
Dann mussten wir weiter, denn wir brauchten noch den guten Imkerhonig, den groben Senf, die Waffeln zum Naschen. Anne sagte, ihr fehlten außerdem noch Tomaten, eine Gurke und Maiskolben für den Salat. Den Schafskäse hatte sie ja schon. Jutta, Uschi, Gaby und Babette hatten auch angekündigt, einen Salat zum Barbecue beizusteuern.
Richtig. Unser Barbecue! Ich hatte mittlerweile sieben Käsesorten probiert, zwei harte Salamis verdrückt, Poffertjes genossen, ich war am Kibbelings -Stand nicht vorbeigekommen, wie sollte ich jetzt also noch das Barbecue verdrücken? Na ja, man kann ja auch beim Grillen mal Diät halten!
Wenig später bogen wir wieder in den Landmetersweg ein. Edda und Tristan fuhren freihändig. Wir hatten ein paar Stunden gar nicht darüber nachgedacht, dass dies kein normaler Urlaub war. Die Stimmen von Tristan und Edda drangen laut zu mir. Sie lachten über irgendwas.
Ich streckte den linken Arm zur Seite aus und bog ab auf das Gelände von Camping de Grevelinge . Ein Duft von Barbecue stieg mir in die Nase. Edda lachte nicht mehr.
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Das Tollste am politiebureau in Middelburg war sicherlich die Lage. Es war nur eine Straßenecke weit von den Kloveniersdoelen entfernt, dem berühmten Schützenhof aus dem siebzehnten Jahrhundert, dem ehemaligen Sitz der Ostindien-Kompanie , deren Schiffe von Middelburg aus den weiten Weg nach Ostasien angetreten hatten. Diese Schiffe hatten großen Reichtum in die Stadt gebracht. In der heutigen Zeit lebten die Middelburger eher von den deutschen Touristen. Leider waren es auch Deutsche gewesen, die Anfang Mai 1940 große Teile der Stadt zerstört hatten.
Das Motto der Stadt Middelburg lautet Lucto et emergo : Ich strauchele und erhebe mich wieder. Es hatte die Wikinger gegeben, Sturmfluten, Brandkatastrophen, das Flüsschen Arne war versandet, und der Hafen hatte seine Bedeutung verloren. Zuerst hatten die Deutschen die Stadt bombardiert, dann waren es die Engländer gewesen. Middelburg war immer wieder aufgestanden.
An derselben Straße wie die Kloveniersdoelen, Achter de Houttuinen, lag auch das politiebureau , beileibe kein so herrliches Haus wie der berühmte Renaissancebau in der Nachbarschaft. Wenn man etwas Freundliches über den Architekten sagen wollte, dann konnte man das Gebäude als »zweckmäßig« bezeichnen, mehr aber auch nicht. Wenn man von außen auf das Gebäude schaute, dann fiel der Blick auf eine Siebzigerjahre-Tristesse, aber wenn man von innen aus dem Gebäude hinaussah, dann war es eine Pracht. Piet saß in Annemiekes Büro auf ihrem Schreibtisch und genoss den Blick auf den inneren Grachtenring, der sich an den Binnenhaven mit den kaaien anschloss. Dieser Blick hielt in Piet dieses besondere Gefühl von Heimat wach. Sein Elternhaus lag nur fünf Minuten zu Fuß von hier entfernt. Wenn er verreist war und nur für ein paar Wochen nicht auf dieses Wasser sehen konnte, dann fehlte ihm wirklich etwas. Ja, Piet verreiste ungern.
Der Blick durch das Fenster auf die Gracht und auf den dahinter gelegenen Molenberg war der eine große Vorteil von Annemiekes Büro. Der andere war die Kaffeemaschine. Wenn man die Qualität des aromatisch duftenden Getränks aus Annemiekes Maschine mit der lauwarmen dunkelbraunen Brühe aus dem riesigen Automaten im Erdgeschoss verglich, dann fehlten einem schon mal die passenden Vokabeln. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, wie Himmel und Hölle, das war alles noch untertrieben. Piet ließ
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