Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
gab keine Antwort und fing wieder an zu zählen. Werner wich mir nicht von der Seite. "Übrigens", sagte er, "hab' ich dich heute früh in der Messe gesehen. Du gehst wohl alle Tage?"
    "Ja."
    "Ich auch. Wie kommt es, daß ich dich nie beim Herausgehen sehe?"' "Vater bleibt immer zehn Minuten länger."
    "Wozu denn? Wenn die Messe vorüber ist?"
    Ich blieb plötzlich stehen und sagte: "Habt ihr nicht wegen der Vase... gebetet?"
    "
    Gebetet ? "
    sagte Werner und sah mich groß an. "
    Gebetet? Warum ? Weil ich die Vase zerbrochen hatte?"
    Er lachte laut heraus, ich fühlte seinen Blick auf mir ruhen, und plötzlich faßte er mich am Arm und zwang mich stehenzubleiben. "Du hättest wegen der Vase gebetet?"
    Voller Verzweiflung wurde ich mir darüber klar, daß ich mich von neuem verzählt hatte. "Laß mich los!"
    "Antworte! Hättest du wegen der Vase gebetet?"
    "Laß mich los!"
    Er ließ mich los, und ich kehrte wieder zur Kapellmauer zurück. Er folgte mir. Ich startete wieder, mit zusammengepreßten Zähnen. Er ging ein Weilchen schweigend neben mir her, dann brach er mit einemmal in Lachen aus. "Also, es ist so! Du hättest gebetet."
    Ich blieb stehen und blickte ihn wütend an. "Ich nicht! Ich nicht! Mein Vater hätte gebetet."
    Er sah mich mit großen Augen an. "Dein Vater?"
    Und er lachte noch mehr. Dein Vater? Ist das komisch! Dein Vater betet, weil du etwas zerbrochen hast."
    "Schweig!"
    Aber er konnte sich nicht mehr halten. Ist das komisch! Mensch! Du zerbrichst die Vase, und dein Vater betet! Der ist doch verrückt, dein Alter."
    Ich schrie auf: Schweig!"
    "Aber er ist. .."
    Ich ging mit erhobenen Fäusten auf ihn los. Er wich zurück, strauchelte, bemühte sich, wieder das Gleichgewicht zu gewinnen, fiel hin und schrie. Sein Schienbein war gebrochen und hatte sich durch die Haut gebohrt. Der Lehrer und drei große Schüler kamen vorsichtig über

    den Schnee gelaufen. Einen Augenblick später wurde Werner auf eine Bank gelegt, ein Kreis von Schülern stand um ihn herum, ich schaute bestürzt auf den Knochen, der die Haut am Knie durchbohrt hatte. Werner war blaß, er hatte die Augen geschlossen und wimmerte leise. "Du Tolpatsch", sagte der Lehrer, "wie hast du denn das gemacht?"
    "Ich bin gerannt und hingefallen."
    "Euch war doch gesagt worden, ihr sollt bei diesem Schnee nicht rennen."
    "Ich bin hingefallen", sagte Werner. Sein Kopf fiel nach hinten, und er wurde ohnmächtig. Die großen Schüler hoben ihn sacht auf und trugen ihn weg. Ich stand da wie betäubt, wie angenagelt, durch die Schwere meines Verbrechens vernichtet. Nach einem Weilchen wandte ich mich an den Lehrer und stand stramm. "Bitte, kann ich zu Pater Thaler gehen?"
    Der Lehrer blickte mich an, sah auf seine Uhr und nickte bejahend. Ich lief nach der Nordtreppe und raste klopfenden Herzens hinauf. Im dritten Stock wandte ich mich nach links, noch ein paar Schritte, und ich klopfte an eine Tür. "Herein!"
    rief eine laute Stimme. Ich trat ein, schloß die Tür und stand stramm. Pater Thaler war in eine Rauchwolke eingehüllt. Er wedelte mit der Hand, um sie zu zerteilen. "Du, Rudolf? Was willst du denn?"
    "Bitte, Hochwürden, ich möchte beichten."
    "Du hast doch am Montag gebeichtet."
    "Ich habe eine Sünde begangen."
    Pater Thaler sah auf seine Pfeife und sagte in einem Ton, der keine Antwort zuließ: "Jetzt ist nicht die Zeit dazu."
    "Bitte, Hochwürden, ich habe etwas Schweres begangen."
    "
    Was hast du denn gemacht?"
    "Wenn es Ihnen recht ist, Hochwürden, möchte ich es Ihnen in der Beichte sagen."
    "Und warum nicht sofort?"
    Ich stand schweigend da. Pater Thaler tat einen Zug aus seiner Pfeife und sah mich einen Augenblick an. "So ernst ist es also?"
    Ich wurde rot, sagte aber nichts. "Meinetwegen", sagte er mit einer leichten Mißstimmung im Ton. "Ich nehme sie dir ab."
    Er warf einen bedauernden Blick auf seine Pfeife, legte sie auf seinen Schreibtisch und setzte sich auf einen Stuhl. Ich kniete vor ihm nieder und erzählte ihm alles. Er hörte mir aufmerksam zu, stellte einige

    Fragen, erlegte mir als Buße 2O Paternoster und 2O Aves auf und erteilte mir die Absolution. Er stand auf, setzte seine Pfeife wieder in Brand und sah mich an. "Und deshalb wünschtest du das Beichtgeheimnis?"
    "Ja, Hochwürden."
    Er zuckte die Achseln, warf mir dann einen funkelnden Blick zu, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. "Hat Hans Werner gesagt, daß du es warst?"
    "Nein, Hochwürden."
    "
    Was hat er denn gesagt?"
    "Daß er hingefallen

Weitere Kostenlose Bücher