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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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wäre."
    "So, so!"
    sagte er und blickte mich an, "so daß nur ich es weiß, und ich bin durch das Beichtgeheimnis gebunden."
    Er legte die Pfeife auf den Schreibtisch. "Kleiner Schurke!"
    sagte er mit Entrüstung, "auf diese Weise ziehst du dich heraus, entlastest dein Gewissen und entgehst zugleich der Strafe."
    "Nein, Hochwürden!"
    rief ich leidenschaftlich. "Nein! So ist es nicht! Es ist nicht wegen der Strafe. In der Schule kann man mich bestrafen, soviel man will!"
    Er sah mich überrascht an. "Weshalb denn dann?"
    "Weil ich nicht möchte, daß Vater etwas davon erfährt."
    Er rieb sich wieder mit dem Daumen den Bart. "Aha! Deswegen!"
    sagte er in ruhigerem Ton. "Solche Angst hast du vor deinem Vater?"
    Er setzte sich, nahm wieder seine Pfeife und rauchte schweigend ein Weilchen. "Was würde er denn tun? Er würde dich durchprügeln?"
    "Nein, Hochwürden."
    Er schien noch weitere Fragen stellen zu wollen, besann sich aber anders und fing wieder an zu rauchen. "Rudolf", hob er endlich wieder mit sanfter Stimme an. "Hochwürden?"
    "Es wäre trotzdem besser, du sagtest es ihm."
    Ich fing sofort an zu zittern. "Nein, Hochwürden! Nein, Hochwürden! Bitte!"
    Er stand auf und sah mich verdutzt an. "Aber was hast du denn? Du zitterst ja? Du wirst doch nicht ohnmächtig werden, hoffe ich."
    Er packte mich an den Schultern und schüttelte mich, gab mir zwei Klapse auf die Backen, ließ mich dann los, machte das Fenster auf und sagte nach einem Weilchen: "Ist dir jetzt besser?"
    "Ja, Hochwürden."
    "Setz dich doch!"
    Ich gehorchte, und er fing an, brummelnd in seinem Zimmerchen hin und her zu gehen, wobei er mir von Zeit zu Zeit einen flüchtigen Blick zuwarf

    Nach einer Weile schloß er das Fenster wieder. Die Schulglocke ertönte. "Und jetzt geh, du kommst sonst zu spät zum Unterricht."
    Ich stand auf und wandte mich zur Tür . "Rudolf!"
    Ich drehte mich um. Er stand hinter mir, "
    Was deinen Vater angeht", sagte er fast leise, "kannst du tun, was du willst."
    Er legte mir für ein paar Sekunden die Hand auf den Kopf, dann öffnete er die Tür und schob mich hinaus. Als mir an diesem Abend Maria die Tür öffnete, sagte sie ganz leise: "Dein Onkel Franz ist da."
    Ich sagte lebhaft: "Ist er in Uniform?"
    Onkel Franz war nur Unteroffizier, sein Bild hing nicht neben den Offizieren im Salon, aber trotzdem bewunderte ich ihn sehr . "Ja", sagte Maria mit ernster Miene, "aber du darfst nicht mit ihm sprechen."
    "Warum denn nicht?"
    "Herr Lang hat es verboten."
    Ich zog meine Windjacke aus, hängte sie auf und bemerkte, daß Vaters Mantel nicht da war. "Wo ist Vater?"
    "Er ist ausgegangen."
    "Warum darf ich nicht mit Onkel Franz sprechen?"
    "Er hat Gott gelästert."
    Was hat er denn gesagt?"
    .Das geht dich nichts an", sagte Maria streng. Dann setzte sie aber sofort mit wichtigtuerischer und entsetzter Miene hinzu: "Er hat gesagt, die Kirche wäre ein großer Schwindel."
    Ich hörte in der Küche Laute, spitzte die Ohren und erkannte die Stimme von Onkel Franz. "Herr Lang hat verboten, daß du mit ihm sprichst", sagte Maria. "Kann ich ihn grüßen?"
    "Sicher", sagte Maria zögernd, "es ist nicht schlimm, wenn man höflich ist."
    Ich ging an der Küche vorüber, die Tür stand weit offen, ich blieb stehen und stand stramm. Onkel Franz saß da, ein Glas in der Hand, seine Bluse war aufgeknöpft, und seine Füße lagen auf einem Stuhl. Mama stand neben ihm mit glücklicher, aber schuldbewußter Miene. Onkel Franz bemerkte mich und rief mit lauter Stimme: "Da ist ja der kleine Pfarrer! Guten Tag, kleiner Pfarrer!"
    "Franz!"
    sagte Mama vorwurfsvoll. "Was soll ich denn sagen? Da ist das kleine Opfer! Guten Tag, kleines Opfer!"
    "Franz!"
    sagte Mama und drehte sich erschrocken um, wie wenn sie erwartet hätte, daß Vater hinter ihrem Rücken auftauchte.

    "Was denn?"
    sagte Onkel Franz. "Ich sage doch bloß die Wahrheit, nicht wahr?"
    Ich stand regungslos stumm vor der Tür. Ich sah Onkel Franz an. "Rudolf", sagte Mama schroff, "geh unverzüglich in dein Zimmer!"
    "Ach was!"
    sagte Onkel Franz und blinzelte mir zu, "laß ihn doch eine Minute in Ruhe. Er hob mir sein Glas entgegen, blinzelte mir noch einmal zu und setzte mit jener weltmännischen Miene, die mir so sehr an ihm gefiel, hinzu: "Laß ihn doch von Zeit zu Zeit einen wirklichen Mann sehen!"
    "Rudolf", sagte Mama, "geh in dein Zimmer!"
    Ich machte kehrt und ging den Korridor entlang. Hinter meinem Rücken hörte ich, wie Onkel Franz sagte: "Das arme Kind! Du wirst mir

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